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Lebe lieber innovativ

Lebe lieber innovativ

Titel: Lebe lieber innovativ
Autoren: Tina Seelig
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anders aufgeteilt. Behälter mit Papier, Holzstücken, Plastikteilen, Büroklammern, Gummibändern, Farbstiften, Pfeifenputzern und Klebeband laden dazu ein, Prototypen zu bauen und Ideen zum Leben zu erwecken. Die Räume sind mit beweglichen weißen Tafeln ausgestattet, an denen bunte Haftnotizzettel für Beiträge zum Brainstorming kleben. Die Wände sind übersät mit Fotos und zufällig entstandenen Nebenprodukten früherer Projekte – zur Inspiration für kreatives Denken.

    Unsere Studenten werden vor reale Herausforderungen mit offenem Ergebnis gestellt – so sollen sie sich beispielsweise Gedanken darüber machen, wie man die Sicherheit beim Radfahren auf dem Campus verbessern kann, oder Wege finden, um Kindern gesunde Ernährung schmackhaft zu machen. Neben solchen lokalen Projekten arbeiten Studenten in dem Kurs zum Thema »Design zu extrem niedrigen Preisen« unter der Leitung von Jim Patell und Dave Beach auch mit Partnern in Entwicklungsländern zusammen. Dabei geht es darum, Probleme aufzuspüren und zu überlegen, wie man sie kostengünstig lösen kann. Dieses Projekt hat eine ganze Reihe viel versprechender Produkte hervorgebracht, die bereits auf dem Weg zu ihrer Vermarktung sind. So entwarf ein Team zum Beispiel einen ganz neuen Brutkasten für Frühgeborene namens Embrace , zu deutsch: Umarmung. Auf diese Idee waren sie nach ihren Besuchen von Krankenhäusern in Nepal gekommen. Sie stellten fest, dass die dort nur spärlich vorhandenen Brutkästen aus westlichen Ländern zum Originalpreis von 20.000 Dollar für den Einsatz in Nepal gar nicht geeignet waren. Viele der Geräte waren defekt oder hätten Ersatzteile gebraucht, die es vor Ort nicht gab. Die Gebrauchsanleitung und die Warnhinweise auf den Geräten waren in einer Sprache geschrieben, die das Pflegepersonal nicht verstand. Vor allem aber kommen die meisten Babys in Nepal in Dörfern zur Welt – weitab von städtischen Krankenhäusern und Brutkästen. So erhalten Frühgeborene, die eigentlich die Wärme des Brutkastens bräuchten, diese lebenswichtige Hilfe nur äußerst selten.
    Das Studententeam erkannte den Bedarf an preiswerten Brutkästen, die technisch nicht zu anspruchsvoll sein durften. Binnen weniger Monate entwarfen sie einen winzigen Schlafsack mit einer einsteckbaren Innentasche, die ein besonderes
Wachs enthielt. Dieses schmolz bei 37 Grad Celsius, also genau bei der Temperatur, die erforderlich ist, um die Körpertemperatur eines Neugeborenen zu halten. 1 Für nur 20 statt 20.000 Dollar können nun Eltern oder örtliche Krankenhäuser Frühgeborene direkt vor Ort oder unterwegs versorgen. Sie entfernen einfach die Wachseinlage und legen sie in heißes Wasser, um das Wachs zum Schmelzen zu bringen. Dann wird die Einlage in den wärmedämmenden Schlafsack gesteckt, wo sie über mehrere Stunden dieselbe Temperatur hält. Kühlt das Wachs schließlich ab, kann es mühelos wieder aufgewärmt werden. Das erfordert weder eine technische Schulung noch Strom. Obendrein ist das Produkt so preisgünstig, dass es auch in von der Infrastruktur abgeschnittenen Dörfern zum Einsatz kommen kann, die keinen Zugang zu städtischen Krankenhäusern haben.
    Die Studenten, die diese Kurse erfolgreich absolviert haben, haben eine dauerhafte Veränderung durchgemacht. Sie haben die Gabe und die Stärke, die sich entfalten, wenn sie Probleme in ihrem Umfeld wahrnehmen und merken, dass sie die Kompetenz haben, sie zu lösen, zu schätzen gelernt. Wie David Kelley, Gründungsdirektor der D-School , sagen würde: »Sie verlassen den Kurs voller kreativer Zuversicht.« 2 Denn ihnen ist bewusst, dass sie – sowohl ausdrücklich als auch indirekt – die Erlaubnis haben zu experimentieren, zu scheitern und es erneut zu probieren. Wir müssen nur erkennen, dass jeder von uns diese Erlaubnis hat. Doch wir müssen sie uns selbst erteilen und dürfen nicht darauf warten, dass sie uns von einer äußeren Kraft gegeben wird.
     
    Die Tatsache, dass wir alle selbst bestimmen, aus welchem Blickwinkel wir die Welt betrachten, wurde mir auf ganz unerwartete
Weise verdeutlicht. Vor einigen Jahren nahm ich an einem Kurs in kreativem Schreiben teil, in dem der Professor uns zweimal hintereinander dieselbe Szene beschreiben ließ – das erste Mal aus der Perspektive einer frischverliebten Person und beim zweiten Mal aus der Perspektive eines Menschen, der gerade ein Kind im Krieg verloren hat. Allerdings durften weder die Verliebtheit noch der Krieg ausdrücklich
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