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Lebe lieber innovativ

Lebe lieber innovativ

Titel: Lebe lieber innovativ
Autoren: Tina Seelig
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Richtung. Statt der fünf Dollar gab ich jeder Gruppe einen Briefumschlag mit zehn Büroklammern. Die Gruppen erhielten die Information, dass sie in den nächsten paar Tagen insgesamt vier Stunden Zeit hätten, um durch den Einsatz der Büroklammern so viel »Wert« zu schöpfen, wie sie konnten, wobei sie den Wert auf jede beliebige Art bemessen durften. Inspiriert hat mich dazu die Geschichte von Kyle MacDonald, der mit einer roten Büroklammer anfing und durch unzählige Tauschgeschäfte so lange Kapital daraus schlug, bis er ein Haus hatte. 1 Er hatte einen Web-Blog eingerichtet, um seine Fortschritte zu dokumentieren und für sein Geschäft zu werben. Es dauerte zwar ein Jahr, doch er erreichte Schritt für Schritt sein Ziel. Seine rote Büroklammer hatte er gegen einen Schreibstift in Fischform getauscht. Den Stift hatte er dann gegen einen Türgriff eingetauscht, den Türgriff gegen einen Campingkocher und so weiter. Im Laufe des Jahres stieg der Wert der Gegenstände langsam, aber sicher an – bis Kyle schließlich sein Traumhaus hatte. In Anbetracht dessen, was er mit einer einzigen Büroklammer erreicht hatte, fand ich es richtig großzügig von mir,
den Studenten zehn Büroklammern zu geben. Die Aufgabenstellung erfolgte an einem Donnerstagmorgen und die Präsentationen waren für den darauf folgenden Dienstag geplant.
    Als der Samstag kam, wurde ich allerdings unruhig. Vielleicht war ich diesmal doch zu weit gegangen. Ich machte mir Sorgen, dass diese Aufgabenstellung ein Reinfall werden könnte und war schon so weit, sie als eine weitere Erfahrung abzuhaken. Doch mit diesen Sorgen hätte ich gar nicht weiter danebenliegen können. Jede der sieben Studentengruppen hatte auf eine andere Art bemessen, was ihr »Wert« war. Eine Gruppe hatte die Büroklammern zu einer neuen Währung erkoren und sich darangemacht, so viele wie möglich davon zu sammeln. Eine andere Gruppe hatte herausgefunden, dass der aktuelle Weltrekord für die längste Büroklammernkette bei mehr als 35 Kilometern lag, und versuchte, den Rekord zu brechen. Sie mobilisierten alle ihre Freunde und Mitbewohner, machten ihre Idee den örtlichen Geschäften und Firmen schmackhaft und tauchten schließlich mit einem ganzen Berg von aneinandergehängten Büroklammern im Seminarraum auf. Die Studenten im Wohnheim fühlten sich von der Herausforderung offenbar so stark angesprochen, dass sie sich auch nach dem Abschluss des Projektes weiter dafür einsetzten, den Weltrekord zu brechen. (Ich bin zwar ziemlich sicher, dass sie den Rekord nicht gebrochen haben, doch es zeigt sehr deutlich, welche Energie diese Gruppe entwickeln konnte.)
    Die unterhaltsamste und kreativste Gruppe brachte ein kurzes Video mit in den Kurs. Auf dem Band schallte im Hintergrund das Lied »Bad Boys« und man sah die Studenten dabei, wie sie die Büroklammern zum Knacken von Schlössern benutzten, um in Zimmer im Studentenwohnheim einzubrechen,
wo sie Sonnenbrillen, Handys und Computer im Wert von zehntausenden Dollar stehlen wollten. Als ich fast schon in Ohnmacht fallen wollte, verkündeten sie, dass das Ganze nur ein Scherz sei und zeigten ein weiteres Video darüber, was sie wirklich getan hatten. Sie hatten die Büroklammern gegen etwas Plakatkarton getauscht und in einem nahegelegenen Einkaufszentrum damit einen Stand aufgebaut: » Stanford -Studenten zu verkaufen: Drei zum Preis von einem.« Sie staunten nicht schlecht über die Aufträge, die sie erhielten: Es fing damit an, dass sie für Kunden deren schwere Einkaufstaschen trugen, dann stellten sie für ein Bekleidungsgeschäft den Recycling-Müll hinaus und schließlich veranstalteten sie für eine Frau, die Hilfe bei der Lösung eines geschäftlichen Problems suchte, ein spontanes Brainstorming. Sie bezahlte sie mit drei Computermonitoren, die sie nicht mehr brauchte.
    Im Laufe der Zeit habe ich in meinen Seminaren immer wieder ähnliche Aufgaben gestellt, wobei ich beim Startkapital zwischen Büroklammern, Haft-Notizzetteln, Gummibändern oder Wasserflaschen gewechselt habe. Jedes Mal überraschten die Studenten mich und auch sich selbst damit, was sie mit der begrenzten Zeit und den begrenzten Ressourcen alles erreichen konnten. So organisierten sie zum Beispiel mit einem kleinen Block Haftnotizzetteln ein gemeinschaftliches Musikprojekt, eine Aufklärungskampagne über Herzerkrankungen und einen Werbespot für einen öffentlichen Versorgungsbetrieb mit dem Titel »Stecker raus« zum Thema Energiesparen.
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