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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
Autoren: Thomas Breuer
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kleiner Tisch mit einem Holzstuhl davor. Ein alter
hölzerner Nähkasten war das Einzige, was auf dem Tisch stand. Rechts an der
Wand befand sich das alte Jugendbett seines Vaters, ein Holzrahmen mit einem
Sprungfederunterbau und einer dünnen Matratze, die Leander im Sommer heftige
Rückenschmerzen bereitet hatte. Die Tapete war die gleiche wie in Hinnerks
Schlafzimmer. Leander hoffte inständig, dass sie erst angebracht worden war,
als sein Vater hier nicht mehr gewohnt hatte. So etwas konnte Kinderseelen
schwer traumatisieren. Er öffnete das Fenster in der Dachgaube und stieß die
Holzläden zurück.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Frau Husen, obwohl sie die Antwort
sicher kannte und wohl nur einen Anlass suchte, um seinen Lebenswandel
missbilligen zu können.
    »Zwei«, antwortete er trotzdem, »aber die sind erwachsen und
gehen schon ihre eigenen Wege.«
    Reaktionslos drehte Frau Husen sich um und schritt entschlossen
auf die Treppe zu.
    »Hinter der Luke dort oben ist der Dachboden. Den betreten Sie
besser erst gar nicht, das bringt nur Unordnung. Ihr Großvater bewahrt dort
Dinge auf, die ihm zu wichtig sind, um sie wegzuwerfen. Er mag es gar nicht,
wenn jemand darin herumwühlt. Nicht einmal mich lässt er da oben Ordnung
schaffen.«
    Vorsichtshalber so leise, dass Frau Husen es nicht hören
konnte, da sie bereits auf halbem Weg nach unten war, entgegnete Leander: »Ich
werde mich beizeiten dort umsehen.«
    Vor der Haustür drehte sie sich noch einmal um.
    »Ich wohne direkt nebenan, aber das wissen Sie ja. Wenn Sie
etwas Neues erfahren, sagen Sie bitte Bescheid.«
    Bevor Leander etwas entgegnen konnte, war Frau Husen bereits
zur Tür hinaus und hatte sie krachend hinter sich ins Schloss gezogen.
    »Das kann ja heiter werden«, murmelte Leander und dachte einen
Moment daran, die Tür von innen abzuschließen, damit Frau Husen nicht noch
einmal einfach hier eindringen konnte.
    Doch diesen Gedanken verwarf er gleich wieder. Das fehlte
gerade noch, dass er vor der alten Schreckschraube kapitulierte. Derart
entschlossen ging er zurück in die Küche, um sein so unsanft unterbrochenes
Frühstück fortzusetzen. Erst jetzt erinnerte er sich, dass die Haustüren hier
von außen Klinken hatten und somit für jedermann, nicht nur für Frau Husen,
zugänglich waren, wenn sie nicht abgeschlossen wurden. Und das wurden sie in
der Regel nicht. Hier auf der Insel hatten die Menschen offenbar noch Vertrauen
zu einander.

3
    Leander hatte gerade zu Ende gefrühstückt, als das Telefon
im Flur klingelte. Er nahm ab und hörte eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt
vorkam, die er aber nicht zuordnen, geschweige denn verstehen konnte.
    »Entschuldigung«, fragte er deshalb nach, »ich habe Ihren Namen
nicht verstanden.«
    »Björnsen«, kam es ungehalten zurück, jetzt allerdings etwas
deutlicher. »Der Hafenmeister, Sie waren doch vorhin bei mir, daran werden Sie
sich ja wohl noch erinnern!«
    Leander sparte sich eine Antwort und ließ die nun folgende
Pause so lange verstreichen, bis sie für seinen Gesprächspartner ungemütlich
wurde – das war eine seiner Verhörstrategien bei besonders schwierigen Fällen,
die sich aber bei eben solchen auch im Alltag mitunter bewährte.
    »Also«, fuhr Björnsen schließlich fort und bemühte sich dabei
hörbar um verständliches Hochdeutsch. »Der Hafenmeister von Wittdün hat mich
gerade angerufen. Man hat den Kutter Ihres Großvaters gefunden, die Haffmöwe ,
oder besser das, was davon übrig ist.«
    »Was heißt das?«, fragte Leander mit einem wachsenden Kloß im
Hals.
    »Sie is woll gekentert, gestern im Sturm. Auf dem Kniepsand
sind die Reste angeschwemmt worden.«
    »Und mein Großvater?«
    »Bislang keine Spur, die Küstenwache sucht noch, aber wenn Sie
mich fragen …«
    »Sie halten mich auf dem Laufenden?«, fragte Leander.
    »Zu Befehl, Herr Kommissar«, stichelte der Hafenmeister und
legte grußlos auf.
    »Vielen Dank für Ihren Anruf«, murmelte Leander in die Leere
der Leitung hinein.
    Er legte den Hörer auf und wollte schon in die Küche
zurückgehen, als das Telefon erneut klingelte. Diesmal war es der Mann von der
Küstenwache, mit dem Leander am Morgen telefoniert hatte. Er berichtete im Wesentlichen
dasselbe wie der Hafenmeister kurz zuvor.
    »Wir stellen die Suche ein.
Nach so einem Sturm haben wir alle Hände voll zu tun, und unsere Kapazitäten
sind leider begrenzt. Wenn die Wrackteile des Kutters am Morgen schon auf dem
Kniepsand lagen, dann ist er gestern Abend
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