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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
Autoren: Thomas Breuer
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irgendwelche Anhaltspunkte?«
    »Niemals«, rief Frau Husen und schluchzte auf. »Warum sollte er
so etwas tun, gerade jetzt, wo er endlich Kontakt zu seinem Enkel gefunden
hat?«
    »Und Sie?«, hakte Bennings bei Leander nach. »Was sagen Sie
dazu?«
    »Ich habe meinen Großvater, wie gesagt, kaum gekannt und seit
Monaten nicht gesehen. Als wir uns im Sommer getroffen haben, machte er auf
mich allerdings keinen depressiven Eindruck.«
    »Warum waren Sie hier verabredet? Nur um sich näher
kennenzulernen?«, hakte Dernau nach. »Oder gab es einen konkreten Anlass?«
    Der Mann ist verdammt gut, dachte Leander.
    »Mein Großvater bat mich, ihm in einer dringenden Angelegenheit
zu helfen, ohne mir allerdings vorab zu sagen, worum es ging.«
    »Haben Sie eine Ahnung?«, fragte Bennings.
    »Nein, nicht die geringste.«
    »Und Sie?«, fragte er Frau Husen, die mit einem matten
Kopfschütteln antwortete.
    Das nun folgende Hochziehen der Augenbrauen hätte Leander
vorhersagen können.
    »Das muss Ihnen alles sehr merkwürdig erscheinen«, gab er zu.
»Mein Vater, der im Sommer letzten Jahres an Lungenkrebs verstorben ist, hat
mir zeitlebens verheimlicht, dass mein Großvater noch lebte. Ich habe ihn für
tot gehalten, bis mein Vater mir auf dem Sterbebett von ihm erzählte. Wieso das
so war, weiß ich nicht; ich hatte gehofft, in diesen Tagen Antworten auf meine
Fragen zu bekommen.«
    »Gut«, sagte Bennings und
gab Dernau ein Zeichen, der daraufhin sein Notizbuch zuklappte. »Sie kennen ja
das Procedere. Wir werden den Leichnam in die Gerichtsmedizin nach Flensburg
schicken. Solange wir Mord nicht eindeutig ausschließen können, sind wir vom K1
für den Fall zuständig. Wenn wir weitere Fragen haben, melden wir uns bei
Ihnen. Sollte Ihnen noch etwas ein-oder auffallen, rufen Sie mich an. Sie
erreichen uns in den nächsten Tagen im Hotel Colosseum .«
    Er reichte Leander seine Visitenkarte und ging, gefolgt von
Dernau und Frau Husen, in den Flur. In der Tür drehte er sich noch einmal kurz
um und nickte Leander zum Abschied zu. Frau Husen blieb unschlüssig vor der
Haustür stehen, als wisse sie nicht, ob sie Leander allein lassen könne.
    Der legte ihr seine Hand auf die Schulter und sagte: »Gehen Sie
ruhig. Ich komme schon klar, aber wenn Sie etwas brauchen – schließlich haben
Sie meinem Großvater weit näher gestanden als ich –, geben Sie mir Bescheid.«
    Frau Husen nickte und schlich gebückt davon. Leander schloss
hinter ihr die Haustür ab, schaute in den Vorratsraum, in dem sich, wie er
wusste, ein Regal mit Weinflaschen befand, zog eine Flasche Rotwein heraus,
öffnete sie in der Küche, nahm ein Weinglas aus dem Schrank und setzte sich so
gerüstet in den Sessel im Wohnzimmer.
    »Lena«, dachte er, als er langsam zur Ruhe kam. »Sie weiß noch
nichts und wartet ohnehin auf meinen Anruf.«
    Er zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte Lenas Nummer.
Nach dem dritten Klingeln nahm sie ab.
    »Gesthuysen.«
    »Ich bin’s«, meldete sich Leander.
    »Das dachte ich mir«, war die unterkühlte Reaktion – offenbar
war sie wirklich sauer über seinen überstürzten Aufbruch.
    Leander erzählte ihr in knappen Sätzen von den Ereignissen des Tages.
    »Das tut mir leid«, sagte Lena, und jetzt klang ihre Stimme
weich und mitfühlend. »Kann ich irgendetwas für dich tun? Soll ich kommen?«
    »Im Moment nicht, obwohl ich dich jetzt gerne bei mir hätte«,
entgegnete Leander. »Aber vielleicht brauche ich dich in den nächsten Tagen
gerade in Kiel. Die Kollegen aus Flensburg werden den Fall schnell abschließen,
wenn sie keine weiteren Anhaltspunkte finden. Es sieht ja alles aus wie ein
Unfall. Und dann müssen wir den Fall an uns ziehen.«
    Lena schwieg einen Moment.
    Dann sagte sie: »Komm jetzt erst einmal zur Ruhe. In ein paar
Tagen sieht die Sache auch für dich anders aus. Zu den Feiertagen komme ich auf
die Insel, und danach sehen wir weiter.«
    Als beide das nun folgende bedrückte Schweigen nicht mehr
aushielten, beendeten sie das Gespräch, und Leander ließ sich wieder in den
Sessel sinken. Für den Rest des Abends war er nicht mehr in der Lage, geordnete
Gedanken zu fassen. Er ließ sie kreisen, bis sie schließlich im Rotweindunst
wegdrifteten. Dann ging er mit schweren Gliedern hinauf in Hinnerks
Schlafzimmer. Der alte Mann brauchte sein Bett nun nicht mehr, und außerdem
hatte Frau Husen es gerade erst frisch bezogen. Warum sollte er sich dann von
den Sprungfedern in der anderen Kammer quälen
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