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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
Autoren: Thomas Breuer
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Hinnerk
ermordet worden ist. Also, wer von euch steckt dahinter?«
    Leander konnte sich nicht vorstellen, dass eine derart plumpe
Verhörtaktik Erfolg haben sollte. Entsprechend wenig erstaunt war er über Claus
Petersens aufgebrachte Reaktion.
    »Das ist doch unerhört«, begehrte der auf. »Das ist üble
Nachrede. Verleumdung ist das!«
    »So etwas muss ich mir nicht anhören«, stimmte Enno Jessen mit
laut erhobener Stimme zu und machte Anstalten, den Raum zu verlassen, aber Erik
verstellte ihm den Weg.
    »Vater«, sagte er in Richtung des alten Petersen, »du hast
jetzt und hier die Wahl: Entweder steht ihr den beiden Rede und Antwort, offen,
ehrlich und ohne jedes Ausweichmanöver, oder ich reise morgen ab und du siehst
mich nicht mehr wieder. Entscheide dich!«
    Claus Petersen rang nach Luft und schaute unsicher zwischen
seinem Sohn und seinem alten Freund hin und her. Schließlich nickte er fast
unmerklich und bewegte beschwichtigend die rechte Hand auf und ab.
    »Claus!«, fuhr der alte Jessen ihn an. »Wenn du nicht sofort
ein Machtwort sprichst …«
    »Nun lass mal den Brüllaffen im Käfig«, entgegnete Erik
Petersen in gefährlich leisem Ton. »Dafür kennen wir uns zu lange. Du steckst
doch dahinter, gib es zu!«
    Enno Jessen griff sich ans Herz, atmete wie ein Karpfen auf dem
Trockenen und hätte das Theater sicher auf die Spitze getrieben, wenn Claus
Petersen das Heft des Handelns nicht plötzlich an sich gerissen hätte. Dabei
hatte er einen Blick, als hätte er plötzlich alles begriffen und zu seiner
alten Stärke zurückgefunden.
    »Enno, lass den Quatsch!«, fuhr er seinen Weggefährten mit
scharfer Stimme an. »Wenn du nichts damit zu tun hast, und davon gehe ich aus,
dann war es dein Sohn. Oder es war einer seiner halbseidenen Handlanger. Los
jetzt, raus mit der Sprache!«
    Enno Jessen sah seinen Freund an, als verstehe er die Welt
nicht mehr.
    »Bist du verrückt geworden?«, stammelte er mit heiserer Stimme.
»Geert? Ein Mörder?«
    »Warum sollte Hinnerk im Sturm ausgelaufen sein?«, fragte der
alte Petersen. »Er war seit Jahren nicht mehr draußen. Und wieso sollte jemand
bei ihm einbrechen, wenn er nicht etwas Bestimmtes gesucht hat? Du bist zu alt
dazu, genau wie ich. Und meine Söhne waren es nicht.«
    »Ocko«, keuchte Enno Jessen plötzlich. »Vielleicht war es
Ocko.«
    »Der war zu Hause, zusammen mit Wilhelm Jörgensen, als in die
Galerie eingebrochen wurde«, stellte Leander klar.
    »Dann hat er jemanden beauftragt«, beharrte Enno Jessen.
    »Wen denn, Enno?« Claus Petersens Stimme war jetzt ganz ruhig.
»Wen sollte Ocko denn beauftragen? Er hat doch niemanden.«
    Enno Jessen blickte ihn verzweifelt an und ließ sich dann in
einen Sessel sinken. Die Eiswürfel in seinem Whiskyglas klapperten im Takt
seiner zittrigen Hände.
    »Nicht Geert«, flüsterte er, »nicht Geert.«
    »Herr Leander«, begann Claus Petersen nun aufs Neue. »Stellen
Sie Ihre Fragen. Wenn wir können, werden wir sie beantworten. Das Ganze muss
ein Ende haben.«
    »Was ist passiert, als Sie zusammen mit meinem Großvater
anderen Menschen zur Flucht verholfen haben?«, fragte Leander und setzte sich
ebenfalls in einen Sessel. »Ich meine, das war eine gefährliche und großherzige
Tat. Warum hat mein Vater sich dennoch von meinem Großvater abgewandt?«
    Claus Petersen sah Enno Jessen einen Moment an, als überlege
er, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gab, heile aus der Geschichte
herauszukommen, aber der Immobilienmakler blickte zu Boden und hatte offenbar
kapituliert.
    »Nun erzähl schon, was Bjarne damals herausgefunden hat,
Vater«, zeigte sich Erik Petersen unnachgiebig. »Und was ihn und mich von der
Insel fortgetrieben hat.«
    »Das waren schlimme Zeiten damals«, sagte Claus Petersen und
seufzte schwer. »Ich meine 1968. Die Jungen hatten überhaupt keinen Respekt
mehr. Keinen Respekt und kein Verständnis. Bjarne war völlig verblendet, er
ließ nichts gelten. Wir haben im Dritten Reich sehr vielen Menschen das Leben
gerettet, Hinnerk mit seinem Kutter und wir anderen auf Sylt. Das ging auch
lange gut dank meiner Beziehungen zu Ortsgruppenleiter Roeloffs. Immer wenn die
Gestapo auf der Insel war, hat er mich gewarnt, und so konnten wir die
Flüchtlinge verstecken und sind nicht ins offene Messer gerannt.«
    Er öffnete seine Hände mit gespreizten Fingern zueinander, als
wolle er damit das Schicksalhafte der Situation illustrieren, und fuhr
schließlich fort: »1944 ist dann doch etwas
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