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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy
Autoren: M Weins
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aus wie ein Besucher aus der Gruft. Ich habe nicht angerufen. Ich habe mir nichts davon versprochen. Wenn sie nicht da ist, warte ich, bis sie zurückkommt. Wenn der Onkel die Tür öffnet, lerne ich ihn endlich einmal kennen und kann mich erklären. Ich ziehe meine zerknitterte Kleidung in Form, hauche in meine hohle Hand. Ich klingele ein zweites Mal. Als sich auch auf mein drittes und viertes Klingeln im Haus nichts rührt, gehe ich um das Haus herum und betrete den Garten, eine abschüssige Rasenfläche, Blumenbeete, etwas weiter zwei schiefergedeckte Schuppen mit Geranienkästen vor den niedrigen Fenstern. Im Schatten eines Johannisbeerbusches setze ich mich auf den klammen Rasen, obwohl es zu kalt dazu ist, ich sehe meinem Atem dabei zu, wie er aufsteigt und Daphnes Namen in den klaren Himmel schreibt. Ich lächele. Mit dem Atem schreibe ich eine Postkarte an Monika ins Blau dieses dörflichen Vormittags. Liebe Monika , schreibe ich. Während du schliefst, bin ich nicht untätig geblieben. Auf die eine oder andere Art bin ich auf dem Weg zu Dir, um Dich entweder aufzuwecken oder es mir neben dir gemütlich zu machen und Deine Ruhe zu teilen. Ich liebe Dich. Dein Lazyboy.
    Ich erwache, als jemand schmerzhaft gegen meinen Arm tritt. Ich blinzele ins grelle Licht und erblicke Daphne über mir. Ich blicke an ihrer dunkelblauen Jeans hinauf und wieder hinunter, die in grauen Wildlederstiefeln enden.
    »Unglaublich«, sagt sie.
    Ich brumme etwas vor mich hin. Meine Kehle fühlt sich an wie mit Styroporkügelchen gefüllt.
    »Von Telefonieren oder SMS-Schreiben oder einer kurzen Nachricht per Mail oder so was hältst du auch nicht viel, stimmt’s?«
    »Brumm«, sage ich.
    »Du stinkst nach Alkohol. Ich konnte deine Fahne bis zum Haus riechen, ich bin einfach der Fahne gefolgt.«
    »Brumm«, sage ich. Ich setze mich auf, meine Schultern tun weh.
    »Was machst du hier im Garten? Gott, es ist viel zu kalt hier zum Schlafen.«
    »Wie spät ist es?«, brumme ich. »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Gott, siehst du scheiße aus«, sagt Daphne.
    »Kann ich vielleicht eine Tasse Tee bekommen?«
    »Halb vier«, sagt Daphne, »es ist halb vier.«
    »Und wo kommst du um diese Uhrzeit her, wenn ich mal so fragen darf?«
    »Schule«, sagt Daphne.
    »Du gehst wieder in die Schule?«
    »Sieht so aus.« Sie versucht ein trotziges Gesicht zu machen, aber dann muss sie doch lächeln, der Stolz setzt ihr eine filigrane Krone ins Haar.
    Dann macht sie ein erschrockenes Gesicht, als würde ihr plötzlich etwas Schlimmes einfallen. »Was ist mit Monika? Geht es ihr gut?«
    »Brumm«, sage ich, denn das hatte ich eine Weile vergessen.
    »Hör zu«, sage ich, als ich endlich einen großen Becher heißen Tees in den Händen halte. Auf der Packung, der Daphne die Beutel entnahm, stand Glückstee , das empfinde ich als angemessen. Wir sitzen an einem rustikalen Tisch in der Mitte der geräumigen Küche. Meine vom Gras feuchte Daunenjacke trocknet über einem Stuhl, der dicht an den altertümlichen Ofen herangeschoben ist.
    »Ich muss noch einmal durch die Tür, ich muss zurück nach Beek.«
    Auf dem Weg zum Tee, in die Küche, habe ich Daphne erzählt, wie es um Monika steht, dass es nicht gut aussieht, dass man im Krankenhaus davon ausgeht, dass sie nicht mehr aufwachen wird, dass höhere Wesen befahlen: Alle Leben erhaltenden Geräte abschalten.
    »Wieso?«, fragt Daphne.
    »Das liegt doch auf der Hand«, sage ich. »Wir haben in Beek irgendetwas falsch gemacht.«
    »Was meinst du?«
    »Es hat halt doch nicht ausgereicht, die Wand einfach zu umgehen. Sie lässt sich nicht austricksen. Das muss der Fehler gewesen sein, ich bin mir sicher, dass es daran liegt. Das verdammte Ding muss weg. Ich will, dass Monika aufwacht. Im Zweifelsfall sprenge ich das Scheißding in die Luft. Im Ernst, ich besorge Sprengstoff, ich schmuggle ihn durch die Tür und durch den Schrank hinüber.«
    »Apropos Schrank«, sagt Daphne.
    »Außerdem«, sage ich, »läuft dort in Beek eine Frau herum, jenseits der Wand, die Monika heißt und Ärztin zu sein behauptet. Äußerlich gleicht sie meiner Monika, der wirklich wirklichen Monika, wie ein Haar dem anderen. Ich habe bislang nichts davon erzählt, weil es mir zu seltsam vorkam, übertrieben, ich dachte, dann hältst du mich endgültig für übergeschnappt. Aber ich bin ihr begegnet, am Rande der Einöde, ich habe mit ihr gesprochen und ich habe sie nach Hause begleitet, als ich zum ersten Mal drüben
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