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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß
Autoren: Colin Forbes
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den Atlantik, zum europäischen Festland. Die Flugpläne waren darauf abgestimmt, die größtmögliche psychologische Wirkung zu erzielen – die geballte Streitmacht sollte die Moral der Europäer heben. Um neun Uhr morgens, auf dem Höhepunkt der Rush-hour, hörten erschreckte Londoner auf dem Weg zur Arbeit plötzlich ein donnerndes Röhren am Himmel. Sie blickten hoch und sahen den endlosen Strom amerikanischer Flugzeuge, die knapp unterhalb der Wolkendecke flogen, einen unablässigen Strom von Maschinen, denen immer neue folgten. Weniger als sechzig Minuten später überflog die gigantische Kavalkade Brüssel, und innerhalb einer weiteren Stunde war die Luftstreitmacht in der Bundesrepublik gelandet. Um seinen Standpunkt mit letzter Klarheit zu verdeutlichen, hielt Moynihan eine kurze Fernsehansprache, die über Satellit in die ganze Welt ausgestrahlt wurde, eine Rede in der für ihn typischen direkten Sprache.
    »Damit bei niemandem ein Mißverständnis aufkommt – die amerikanische Verteidigungslinie verläuft entlang der westdeutschen Grenze zu den sowjetischen Satellitenstaaten. Und was die Maschinen betrifft, die soeben in der Bundesrepublik gelandet sind – wo die hergekommen sind, gibt es noch weit mehr…«
     
     
    »Die Sparta-Leute haben großartige Arbeit geleistet…«
    Als Präsident Moynihan im Weißen Haus Harry Wargrave beglückwünschte, hatte er sich beim Sparta-Ring bedanken wollen, der Sondereinheit des Geheimdienstes, die ihren Sitz außerhalb der USA in Montreal in Kanada hatte. Um zu erklären, wie diese einzigartige Einheit ins Leben gerufen wurde, ist ein Rückblick auf das vorhergehende Jahr notwendig – in die Zeit, zu der Vizepräsident Moynihan das Amt des Präsidenten von seinem Vorgänger übernommen hatte, der bei einem Skiunfall in Colorado plötzlich ums Leben gekommen war.

3. Prag, Tschechoslowakei
     
     
     
    In diesem Moment der Zeitgeschichte hatte Matt Leroy – der später Elsa Lang bei ihren allmonatlichen Reisen von Basel zum Züricher Flughafen bewachte – kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit als Sicherheitsoffizier an der amerikanischen Botschaft in Prag gestanden.
    Es war der 8. Dezember. Es herrschte mildes Wetter, obwohl in der Hohen Tatra Schnee gefallen war. Der amerikanische Botschafter hatte zu einem Abendempfang für einige sowjetische Politbüromitglieder geladen, die der Tschechoslowakei einen Besuch abstatteten. Für Leroy sah es so aus, als würde sein letzter Abend vor der Rückkehr in die Staaten am folgenden Tag zu einem Ereignis werden.
    »Meine erste Chance, Spitzenmänner des Feindes aus der Nähe zu betrachten«, vertraute er einem Untergebenen an.
    Der Botschafter war nicht so begeistert. Er hatte soeben eine persönliche Weisung des erst vor kurzem zum Präsidenten ernannten Joseph Moynihan erhalten, in der dieser in der später so vertrauten markigen Art seinen Standpunkt darlegte. »Halten Sie ja nicht Händchen mit diesen Burschen aus dem Kreml. Feste Höflichkeit ist jetzt das Gebot der Stunde. Und bringen Sie auf keinen Fall irgendwelche Toasts auf die gottverdammte falsche russische ›Entspannung‹ aus…«
    Während er sich unter die Gäste mischte, die unter glitzernden Kronleuchtern umherwanderten, blickte Matt Leroy scheinbar gleichgültig in die Runde. Gelegentlich nippte er an seinem Bourbon, den er in der Hand hielt. In Wahrheit nahm er jeden Anwesenden genauestens unter die Lupe. Dabei entging ihm nicht das kleinste Detail. Unter den wichtigeren Gästen aus dem Politbüro war auch Anatolij Sarubin, der Minister für Handel und Außenwirtschaft. Es war Sarubin, der auf Leroy zuging und mit dem Amerikaner anstieß.
    »Auf ein Andauern der Entspannung, mein Freund«, meinte Sarubin in perfektem Englisch.
    »Auf die Entspannung«, stimmte Leroy ohne Begeisterung ein.
    Sarubin war ein kleiner, dunkelhaariger Russe mit einem gepflegten Schnurrbart, von fröhlichem Gehabe, und er stand im Ruf, ein ziemlicher Schürzenjäger zu sein. Trotz seiner Zweifel hatte Leroy entdeckt, daß er diesen gesprächigen, zu Scherzen aufgelegten Minister mochte, der eine fanatische Bewunderung für den Jazz David Brubecks gestand. »Ich habe alle seine Platten, spiele sie immer und immer wieder«, plauderte er weiter. »Take-Five – diese Nummer ist mein Lieblingsstück…« Andere sowjetische Gäste waren Leroy weit weniger liebenswürdig erschienen.
    Gegen neun kam etwas mehr Leben in die Party, und in der Umgebung Marschall Grigorij Pratschkos,
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