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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Autoren: Laurence Sterne
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glauben, dass auch der Pfarrer selbst, obschon er nicht das Glück hatte, zuerst auf die Sache verfallen zu sein, doch dadurch, dass er sobald ihm der Plan vorgelegt wurde, von Herzen zustimmte, und ebenso von Herzen gern sein Geld dazu beitrug, um jenen ausführbar zu machen, einigen Anspruch darauf machen konnte, ja doch ihm eine volle Hälfte der Ehre gebührte.
    Die Welt war damals geneigt, die Sache anders anzusehen.
    Legen Sie einmal das Buch weg und ich gebe Ihnen einen halben Tag, um das Rätsel dieser Anschauung zu lösen. Aber Sie bringen es nicht heraus.
    So erfahren Sie denn, dass der Pfarrer, mit dem wir zu tun haben, etwa 5 Jahre vor Anstellung der Hebamme, worüber Sie einen so umständlichen Bericht erhalten haben, sich durch eine Handlung, welche die Würde, die er seiner Person, seinem Stand und seinem Amte schuldig war, verletzte, zum Gespräch der ganzen Gegend gemacht hatte. Er erschien nämlich plötzlich auf einem magern, elenden, eselsähnlichen Rosse, das ein Pfund fünfzehn Schillinge wert sein mochte, einem Ross, das um meine Beschreibung abzukürzen ein Zwillingsbruder des Rosinante war, in so weit Ähnlichkeit eine solche Verwandtschaft herstellen kann, denn es kam der Beschreibung des letzteren in jeder Beziehung auf ein Haar breit nahe, mit alleiniger Ausnahme, dass ich mich nicht erinnere, ob Rosinante ebenfalls kurzatmig war; und dass Rosinante, wie die meisten spanischen Pferde, ob sie nun dick oder dürr sind, das Glück haben, ohne Zweifel in jeder Beziehung ein Ross war.
    Ich weiß sehr wohl, dass das Ross jenes Helden von keuscher Aufführung war, was einen Grund zu der gegenteiligen Vermutung hätte abgeben können; aber es ist zugleich ebenfalls sicher, dass Rosinante's Enthaltsamkeit – wie dies aus dem Abenteuer mit den Fuhrleuten hervorgeht – keineswegs einem körperlichen Gebrechen oder einer ähnlichen Ursache, sondern seinem Temperament und dem geordneten Laufe seines Blutes entsprang. – Und gestatten Sie mir hier die Bemerkung, Madame, dass es eine große Portion sehr guter Keuschheit auf der Welt gibt, zu deren Gunsten sich absolut nichts weiter anführen ließe.
    Sei dem wie dem sei, da es meine Absicht ist, einer jeden Persönlichkeit, die ich auf der Bühne dieses dramatischen Werkes erscheinen lasse, volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so durfte ich diesen Unterschied zu Gunsten von D. Quijote's Pferd nicht unterdrücken; in jeder anderen Beziehung aber war, wie gesagt, des Pfarrers Ross sein alter Ego, es war eine so dürre, so schmale, und so armselige Mähre, dass die Demut selbst es hätte besteigen können.
    Nach der Ansicht mancher Leute von schwachem Urteil wäre es großenteils bei dem Pfarrer gestanden, der Figur seines Rössleins etwas aufzuhelfen, denn er war im Besitz eines sehr schönen, halbaufgebauschten Sattels, der am Sitz mit grünem Plüsch abgenäht und mit einer doppelten Reihe von silbernen Stiften beschlagen war, wozu noch ein nobles Paar glänzender Messingbügel und eine sehr anständige Unterlagsdecke von superfeinem grauem Tuch mit einer Einfassung von schwarzer Stickerei kam, die in dicke, schwarze, seidene Franzen, mit Goldfäden durchwirkt, verlief. Dies Alles nebst einem mit erhabener Arbeit geschmücktem und in jeder Beziehung wohl verziertem Zaume hatte er sich auf der stolzen Höhe seines Lebens angeschafft. Da er aber nicht die Absicht hatte, sein Tier durch diesen Trödel lächerlich zu machen, hatte er ihn hinter der Türe seines Studierzimmers aufgehängt, und sich dafür einen solchen Zaum und Sattel angeschafft, wie er gerade zu der Figur und dem Werte eines solchen Gaules passte.
    Man kann sich leicht vorstellen, dass der so ausgerüstete Pfarrer bei seinen verschiedenen Umritten in seinem Sprengel, und bei dem benachbarten Adel Allerlei zu hören und zu sehen bekam, was seine Philosophie rostfrei erhielt. Er konnte in der Tat in kein Dorf reiten, ohne sofort die Aufmerksamkeit von Alt und Jung zu erregen. Die Arbeit stand still wo er vorüber kam, der Eimer blieb mitten über dem Brunnen hängen, das Spinnrädchen vergaß sich zu drehen, sogar das Grübchen- und das Anwerfspiel der Kinder erlitt eine Unterbrechung, solange er in Sicht war; und da seine Vorwärtsbewegung keine der schnellsten war, so hatte er in der Regel vollauf Zeit, um seine Betrachtungen anzustellen, das Seufzen der ernsten Leute und das Lachen der Munteren anzuhören, was er in aller Seelenruhe hinnahm. Sein Charakter war von der Art, dass
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