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Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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zeigten opake Linien auf zahlreichen Splittern von Arm- und Beinknochen. Die schmalen Bänder verliefen quer über die Schäfte und deuteten auf Zeiten unterbrochenen Wachstums hin. Ich legte das Gewebe mit derartigen Knochenfragmenten auf einen Tisch und Gewebe mit normalen Knochen auf den anderen.
    Einer der Fleischklumpen enthielt mehrere Handknochen. Als ich sie herauslöste, entdeckte ich zwei Mittelhandknochen mit unregelmäßigen Schäften. Diese klumpigen Bereiche zeigten auf dem Röntgenbild erhöhte Dichte, was darauf hindeutete, dass sich eins der Opfer diese Finger irgendwann einmal gebrochen hatte. Ich legte das Gewebe beiseite.
    Gewebe ohne Knochen verlangten eine andere Vorgehensweise. Bei diesem untersuchte ich die anhaftenden Stoffreste und arbeitete vom bereits sortierten Gewebe rückwärts, indem ich Fäden und Fasern von dem einen oder dem anderen Tisch mit Stücken von Gewebe verglich, die noch auf den Rollbahren lagen. Ich glaubte, einen gewebten Wollstoff, Khaki von der Art, wie es in Arbeitshosen verwendet wird, Köper und weiße Baumwolle identifizieren zu können. Später würden die Experten von der Abteilung Haare und Fasern eine komplette Analyse durchführen, um festzustellen, ob sich meine Ergebnisse bestätigten.
    Nach dem Mittagessen und meinem Gespräch mit LaManche kehrte ich zu den Bombenopfern zurück. Um viertel nach fünf hatte ich ungefähr zwei Drittel des Gewebes sortiert. Ohne DNS-Analyse sah ich keine Chance, die übrigen Fragmente einem spezifischen Individuum zuzuordnen. Ich hatte getan, was ich konnte.
    Und ich hatte mir auch selbst ein Ziel gesetzt.
    Während ich in den Leichenteilen der Vaillancourts wühlte, fiel es mir schwer, Mitleid für die Personen aufzubringen, die ich rekonstruierte. Eigentlich ärgerte es mich eher, dass ich es tun musste. Diese Männer hatten sich bei dem Versuch, andere in die Luft zu jagen, selbst in Stücke gesprengt. Hier hatte eine rohe Gerechtigkeit gewaltet, und ich empfand mehr Verwirrung als Bedauern.
    Nicht so bei Emily Anne. Sie lag auf LaManches Autopsietisch, weil sie zu ihrer Ballettstunde gegangen war. So etwas war unannehmbar. Der Tod eines unschuldigen Kindes konnte nicht als Kollateralschaden eines wahnsinnigen Krieges hingenommen werden.
    Vipers konnten Heathens umbringen, und Outlaws konnten Bandidos ermorden. Oder Hells Angels. Aber sie durften keine Unschuldigen töten. Ich schwor mir, dass ich alle meine forensischen Fähigkeiten einsetzen und so viel Zeit aufwenden würde, wie ich nur konnte, um Indizien zu finden, die zu einer Identifikation und Verurteilung dieser mörderischen Soziopathen führen würden. Kinder hatten das Recht, eine Straße entlangzugehen, ohne von Kugeln niedergestreckt zu werden.
    Ich legte die sortierten Überreste wieder auf die Bahren und rollte sie in die Kühlkammern, wusch mich und zog Straßenkleidung an. Dann fuhr ich mit dem Aufzug zu meinem Chef.
     
    »Ich will diesen Fall bearbeiten«, sagte ich mit ruhiger, gelassener Stimme. »Ich will diese verdammten Kindermörder zur Strecke bringen.«
    Die müden, alten Augen sahen mich, so kam es mir vor, sehr lange an. Wir hatten über Emily Anne Toussaint gesprochen. Und über ein anderes Kind. Einen Jungen.
    Olivier Fontaine war auf dem Weg zum Eishockeytraining, als er mit seinem Fahrrad zu dicht an einem Jeep Cherokee vorbeifuhr, dessen Fahrer eben den Zündschlüssel umdrehte. Die Bombe explodierte mit solcher Gewalt, dass Metallsplitter den Jungen trafen und ihn sofort töteten. Olivier war zwölf Jahre alt gewesen.
    Der Fontaine-Mord fiel mir erst wieder ein, als ich Emily Anne sah. Der Vorfall hatte sich im Dezember 1995 auf dem West Island ereignet, die Hells Angels und die Rock Machine waren die Beteiligten gewesen. Oliviers Tod hatte einen Aufschrei öffentlicher Entrüstung provoziert, der wiederum zur Gründung der Operation Carcajou geführt hatte, der ressortübergreifenden Sondereinheit zur Untersuchung von Biker-Verbrechen.
    »Temperance, ich kann nicht –«
    »Ich werde alles tun, was nötig ist. In meiner Freizeit arbeiten, zwischen den anderen Fällen. Wenn’s bei der Carcajou so aussieht wie überall, dann haben sie wahrscheinlich zu wenig Personal. Ich könnte Dateneinträge machen oder historische Fälle recherchieren. Ich könnte als Verbindung zwischen den einzelnen Behörden fungieren, vielleicht Kontakte zu den nachrichtendienstlichen Abteilungen in den USA herstellen. Ich könnte –«
    »Jetzt mal langsam,
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