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Lasst eure Kinder in Ruhe

Lasst eure Kinder in Ruhe

Titel: Lasst eure Kinder in Ruhe
Autoren: Wolfgang Bergmann
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verteilen und die
für Eltern sehr verlockend sind: Ah, hier hätten wir unser Kind auf hohem Niveau untergebracht – wir müssen uns keine Vorwürfe machen (Grundangst fast aller jungen Eltern)! Wir bringen es ja in ein hoch attraktives und sozial stimulierendes Milieu. Hier kann es Zukunft schnuppern.
    Die Selbstdarstellungen von Kindergärten muss man ganz genau anschauen. Dann erkennt man rasch, wie lebensleer und gefühlsarm das alles letztlich ist. So soll die soziale Zukunft unserer Kinder aussehen – so ganz auf Rivalität abgestellt? Wer ist besser als der andere (was immer »besser« bedeuten mag)? Das seelische Leben vieler Kinder, das sich nach solchen Vorbildern orientiert, ist zu großen Teilen auf reiner Repräsentation aufgebaut. Nicht auf innerer Sicherheit. Auf sauberer und glitzernder Selbstdarstellung, in so frühem Lebensalter schon gelernt und trainiert, und nicht auf der Gewissheit des Geliebtseins.
    Aber genau diese Gewissheit brauchen unsere Kinder. Sie brauchen manchmal Lärm und fast immer ein bisschen Chaos, vergnügtes Matschen auf den Spielplätzen, wenn der Schneeregen schwer auf ihre Sandburgen fällt, sie brauchen den freien Atem des Lebens. Den Atem der Freiheit, auch den der Liebe.
    Und da hapert es schon wieder.
    Natürlich lieben auch moderne Eltern ihre Kinder, aber diese Liebe scheint oft wie erstickt unter den von Eltern selbst nicht durchschauten Leistungszwängen: »Mein Kind muss ganz toll sein, sonst wird es seine Zukunft nicht bewältigen« – lauter Leerformeln, denn was
ist »ganz toll«, was ist überhaupt Leistung, wenn es darum geht, eine Blume zu bestaunen oder sie zu schnippeln und zu figurieren? Was heißt denn hier »besser« als der oder die andere? Im Betrachten meiner gleichaltrigen Spielgefährten will ich doch keine Konkurrenten vor mir sehen, sondern Freunde!
    Aber dieses gefühlte Miteinander, auf das ein Kind – jedes Kind! – sich freut, erstickt unter den prüfenden Augen von Mama und Papa und den Pädagogen: Warst du wenigstens gleichwertig oder doch lieber besser als die anderen Kinder? Auf alle Fälle bist du doch nicht zurückgeblieben, oder? Leistungsvergleiche – und was bleibt dann? Nichts, nur das pure Vergleichen zwischen unserem kleinen Sohn und der kleinen Tochter aus dem Nachbarhaus. Pures Rivalisieren bei Inhalten, die nicht im Geringsten zu Ende gedacht sind. Die nicht einmal ansatzweise etwas von der Feingliedrigkeit des kindlichen Erfahrungslernens benennen.
    Wenn man nur genau hinschaut, wird es ganz deutlich: Die Verdrossenheit so vieler Kinder ist letztlich nichts anderes als Liebesarmut.
    Die Hektik der Eltern zerschlägt den Vertrauenscharakter, das Urvertrauen, das immer da sein muss und nicht nach Terminkalender erst am Abendtisch aufgeteilt wird. Die Elternliebe kommt heute oft viel zu zögerlich, sie wird viel zu oft von anderen Anlässen unterbrochen, die ein Kind nicht verstehen kann und auch nicht verstehen will. Und immer spüren die Kinder dabei die Unsicherheit ihrer wichtigsten Bindungspersonen – Mama und Papa.

    Zu oft treten nicht nur bei den Kindern und ihren Anstrengungen des Lernens Versagensängste hervor, sondern auch bei den Eltern. Damit kommt aber kein Kind zurecht. Es will starke Eltern, sie müssen unerschütterlich sein. Ein zweifacher Fels in der Brandung dieses so jungen Lebens. Und denken wir einmal ganz lange und mit viel Geduld nach (was wir sonst ja kaum tun, dies hier ist ein guter Anlass!): Was kann diese Stärke von Eltern denn letztlich sein? Was denn anderes als Liebe! Wird sie verfehlt, ist alles verloren.

    Kinder schaffen kleine Wunder
    DIE KINDER, DIE GANZ KLEINEN SCHON, gestalten und formen, den ganzen Tag lang. Man muss ihnen nur zusehen dabei, man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Kleine Wunder entstehen da unter den unbeholfenen Händen, die mit jeder Gestaltung, jeder Form, jedem Kneten, Zerren und Reißen, jedem Bauen und Stapeln lernen und lernen.
    Aber Kinder »lernen« ja nicht nur, sie entfalten – nicht nur ihren kleinen Geist, sondern gleichzeitig, und das übersehen wir so leicht, die ganze Welt. Sie ist in ihren Fingern, in ihrem feinen Tastsinn, in ihren Händen, Armen und den unaufhörlichen Bewegungen ihrer kleinen Körper – die äußere Welt nimmt im kindlichen Abbild eine ganz einzigartige Gestalt an. Jedes Kind erfindet die Welt, schafft sie neu aus seiner Fantasie.
    Und ist es nicht auch eine wirkliche Welt, eine wahre? Sind wir denn sicher, wir Erwachsenen,
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