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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
Autoren: Anja Maier
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Väter.) In ihrem natürlichen Umfeld beobachten kann man sie im angesagtesten Eltern-Kind-Café des ganzen Prenzlauer Bergs. Das heißt Kiezkind und liegt auf dem Helmholtzplatz, einem großen Viereck, das von kundigen Stadtplanern begrünt und bebankt wurde. Hier trifft sich tout Prenzlauer Berg. Alles, was über Kinder verfügt, steuert gern das Karree an, und wer keinen Nachwuchs bei sich führt, muss sich verlaufen haben oder Tourist sein.
    Aus dem alten Trafohaus, von dem aus einst die Anwohner mit Strom versorgt wurden, wurde vor Jahren das Café Kiezkind. Schon von Weitem sieht man, wer hier Stammgast ist: Vor dem Eingang stehen die schwarzen Boogaboo- und Peg-Perego-Kinderwagen in Reih und Glied; schnittige Lauflernräder im angesagten Tattoo-Design der Saison wurden vor der Tür von ihren kindlichen Besitzern achtlos in den Staub geworfen. Die Edelstahlspeichen der 150-Euro-Bikes kontrastieren sehr schön mit den handbestickten Ledersätteln.
    Drinnen ist die Luft zum Schneiden. Eine olfaktorische Mischung aus vollen Windeln, Biowienern und Chai latte schlägt dem Gast entgegen. Dies hier ist ganz klar der Kantinenduft der Ökoelterngeneration. Rechts neben dem Eingang findet sich ein Buddelkasten, dessen Sand von kleinen Baumeistern bereits großflächig durch den gesamten Raum verteilt wurde und von anderen Ein-Meter-Buddlern gerade mit Schippen weiter über den Rand verklappt wird. Gott sei Dank ist der Sandkasten beheizt, das garantiert auch die gleichmäßige Erwärmung der Windelinhalte und sorgt für noch mehr Aroma auf achtzig Quadratmetern.
    Neben dem Buddelkasten stehen die Erziehungsberechtigten, sie tragen Outdoorjacken oder Boutiquenmäntel, ratschen miteinander in allen Sprachen und Idiomen Deutschlands und der Welt und nippen an ihrem Bio-Smoothie, während der kleine Malte der süßen Luise gerade die Plastikschippe über den Schädel zieht. Flatsch!
    Ein großes, ein großartiges Gebrüll setzt nun ein. Ein Tosen und Kreischen, nur sehr mühsam zu unterbrechen durch die zuständigen Mütter, die nun doch mal ihre Smoothies beiseitestellen und sich dem Konfliktherd zu ihren Füßen nähern. »Come on, give it to her«, bittet die Malte-Mutter ihren Sohn und versucht ihm die Schippe zu entwinden. Der Sound steigert sich noch um ein paar Dezibel. Selbst wenn Malte die Schippe loslassen würde, würde das Luise nicht von ihrem Schreitremor erlösen. Es ist ein sensationeller Wut- und Erschöpfungsschrei, wie ihn nur Kleinkinder auszustoßen in der Lage sind, die einen langen Kitatag hinter sich haben und im Grunde nur darauf gewartet haben, dass ihnen irgendeine Ungerechtigkeit widerfährt. Maltes und Luises Mütter können im Grunde jetzt nur noch eins tun: sich ihre Kinder unter die Arme klemmen und das Etablissement verlassen. Und genau das tun sie auch.
    Zurück bleiben zwei halbleere Smoothie-Fläschchen und der Baby latte von Luise. Das schöne Heißgetränk, eine jener irren Erfindungen des urbanen Familiengastrobereichs, wird nun leider kalt. Baby latte – manchmal heißt er auch Babyccino – ist nicht nur warme geschäumte Milch, die hier für 50 Cent zu haben ist und möglicherweise tatsächlich Kinder glauben macht, Milchschaum könne an kühlen Winterabenden vom Himmel herabschneien. Nein, Baby latte ist mehr. Nämlich der Ausdruck dafür, dass sich hier in dieser Gegend die Bedürfnisse von Eltern und Kindern auf unheimliche Weise sogar kulinarisch annähern.
    Weil die Erwachsenen tagein, tagaus Kaffee mit Milchschaum trinken, war es irgendwann unausweichlich, dass auch die kleinen Urbaniten, die bestversorgten Ein-Meter-Trolle, ihr eigenes Trendgetränk bekommen. Zugleich wird durch den Babyccino auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck gebracht, dass die kleine Luise nicht nur das Kind einer Macchiatomutter ist. Nein, sie ist so eine Art beste, zugegeben etwas klein geratene Freundin, mit der man das gute Leben teilen möchte. Selbstredend ist hier im Café Kiezkind für den vollendeten Fake gesorgt: Gegen 30 Cent Aufpreis kann der Baby latte auch mit Caro-Kaffee bestellt werden, damit Luises Glas dem von Mama zum Verwechseln ähnlich sieht – nur eben kleiner und natürlich ohne schädliches Koffein.
    Der Tag ist nicht mehr fern, an dem in einem Elternbezirk irgendwo in Deutschland das erste Lokal eröffnet, dessen Spezialitäten Gerichte wie Zwieback-Bananen-Brei, passierte Pastinake und angewärmtes Mangomark sind. Die köstlichen Pampen werden dann auf farbenfrohen
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