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Lanzarote

Lanzarote

Titel: Lanzarote
Autoren: Michel Houellebecq
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Gegner: den Libertären, den Liberalen. Der Libertäre ist ein Liberaler in Potenz, mit einigen besonders grauenhaften Sonderfällen wie Satanisten oder radikale Grüne.“ An anderer Stelle erklärte er auch die „Hippies, Präadoleszenten, die Wiener Aktionisten, Nietzsche und die Naturschützer, die in den Pyrenäen wieder Bären heimisch machen wollen“, zu seinen natürlichen Feinden. Seine nur mäßig amüsierten Gesprächspartner zogen sich mit einer Pirouette aus der Affäre: Es handle sich um einen wichtigen Roman, dessen im Übrigen links angesiedelter Autor politisch zweifelhafte Ansichten äußere. Das Buch markiere zwar die Nostalgie der Unterdrückung. Aber dieser regressive, unreife Diskurs sei ungemein bezeichnend für unsere Epoche.
    In einem weiteren grotesken Interview sprach Houellebecq sich dann auch noch für die Eliminierung des männlichen Geschlechts auf genetischem Wege und überhaupt die „Verbesserung“ der Menschheit aus, erklärte das Verlangen zur Wurzel allen Übels, die buddhistische Askese zur besten Lösung und bekundete seine Sympathie für die katholischen Traditionalisten. Die humorlosen Kollegen von der linken Literaturzeitschrift „Perpendiculaires“, deren Redaktionskomitee Houellebecq angehörte, wollten sich von dem suspekten Autor trennen. Der konservative Figaro, der Houellebecq zuvor als „Deprimisten“ tituliert hatte, warf der „Perpendiculaires“-Redaktion „Inquisition“ vor. Der Herausgeber der Zeitschrift der Verlag Flammarion, zugleich Verleger von Houellebecq drehte den Störern seiner Geschäfte schließlich sehr unfein den Strom ab: Mit Nummer elf, in der das fatale Interview erschien, musste „Perpendiculaire“ das Erscheinen einstellen.
    „Le Monde“ bezeichnete den Roman nun als Exempel einer „neuen Tendenz der Literatur“, welche zwar künstlerisch nicht besonders ansprechend sei, jedoch die „soziale, ideologische, künstlerische Misere“ der Moderne enthülle und ihren humanistischen Diskurs entlarve. „Die neue Tendenz ist zwangsläufg unmoralisch.“ Gegen diesen vorgeblichen Antihumanismus erhob sich wiederum ein Sturm der Entrüstung, der wenig mit dem Buch zu tun hatte, und dann, nachdem Houellebecq den „Prix Goncourt“ nicht bekommen hatte und die Schlacht also verloren war, da war nach drei Monaten Lärm plötzlich alles wieder still. Der Autor dessen Buch inzwischen mehr als 300 000-mal verkauft worden ist und in 20 Ländern erscheint zog sich in das Steuerparadies Irland zurück.
    Der Lektor hatte die Rakete Houellebecq mit genügender Sprengkraft gezündet.

    erschienen in: Berliner Zeitung 16.10.1999

Dann lieber klonen

    von Gabriele Riedle

    Ein Kälteproblem: Michel Houellebecq rächt sich mit einem literarischen Amoklauf für den Egoismus der 68er-Mütter

    So viel Elend war nie. Die Welt ist schlecht, die Menschheit am Ende und Michel Houellebecq, der in Frankreich ob seines Welt- und Gesellschaftsekels heftig umstrittene Autor, hat das endlich bewiesen, in dem er ein Buch über die Halbbrüder Bruno und Michel schrieb. Der Lehrer und der Biologe können mit dem Leben schon deshalb nicht zurecht kommen, weil ihre böse Mutter sich lieber hippiemäßig selbstverwirklicht hat, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern.
    Die öden Details ihrer verpfuschten Biografen sind zwangsläufg nicht besonders aufregend. Aber immerhin versetzt Michel zum Schluss durch seine wissenschaftlichen Forschungen die Menschen in die Lage, sich nicht mehr sexuell fortpfanzen zu müssen, denn das ist eine unangenehme Sache, sondern durch genetische Replikation sprich: Klonen.
    Das wiederum ist prima, denn nun kann eine unsterbliche Spezies entstehen, „die die Individualität, die Trennung und das Werden überwunden hat“. Wenn alle denselben genetischen Code haben, ist die Welt „rund, glatt, homogen und warm wie eine Frauenbrust“. Es herrscht nur noch Brüderlichkeit, die „das wichtigste Element für die Herstellung einer ausgesöhnten Menschheit“ ist. Soll einer sagen, es gäbe keine positiven Utopien mehr.
    Bis zu diesem glücklichen Ende im pathetischen Posaunenton (letzter Satz von geradezu Gotthilf-Fischerscher Feierlichkeit: „Dieses Buch ist dem Menschen gewidmet“) muss aber noch in voller Breite vorgeführt werden, warum der bisherige Zustand von Natur und Gesellschaft gleichermaßen von Übel ist. Dies kann man aus den schlichten aber ausführlichen Nacherzählungen der Lebensläufe der Haupt- und diverser Nebenfguren
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