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Land der Sehnsucht (German Edition)

Land der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Land der Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Tamera Alexander
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wurde.
    Es war der Berggipfel, an dem sie heute vorbeigefahren waren. Die Schale, die Gott mit seiner eigenen Hand geformt und mit Schnee gefüllt hatte. Die Farben waren so lebendig und real. Die Maltechnik war zwar schlicht, aber vorzüglich.
    Irgendwo hinter ihr ging eine Tür auf, dann hörte sie Stiefelschritte auf dem Heu.
    Ihr Blick fiel auf ein anderes Bild. Es hing tiefer an der Wand und war kleiner. Eine Szene mit einer Brücke. Sie beugte sich näher vor. Als sie das Motiv erkannte, stockte ihr der Atem. Die Brücke! Das war ihre Brücke. In Paris. Sie war sich ganz sicher.
    „Guten Tag, Madam. Was kann ich für Sie tun?“
    Sie konnte den Blick nicht von dem Bild abwenden. Das war ein deutliches Zeichen, dass der Künstler eine außergewöhnliche Gabe besaß. „Bonjour, Monsieur. Peter hilft uns bereits. Merci.“ Schließlich drehte sie sich um und deutete hinter sich. „Darf ich fragen, wer diese Bilder gemalt hat?“
    Der Mann erstarrte.
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Wenn dieser Mann Peters Vater war, war er in seinem Körperbau und seiner Haarfarbe das genaue Gegenteil von dem Jungen. Während Peter groß und schlank war, war dieser Mann von untersetzter Statur. Er hatte dunkle Haare, und sein ausgemergeltes Gesicht verriet, dass er wahrscheinlich durch eine Krankheit geschwächt war.
    Seine Lippen bewegten sich. Aber kein Wort kam aus seinem Mund.
    Er sah aus, als versuche er, etwas zu sagen. Sein Gesicht wurde blasser, seine Miene schmerzverzerrter. Er murmelte etwas, das sie nicht verstehen konnte.
    Sie streckte eine Hand nach ihm aus. „Warten Sie hier, Monsieur, s’il vous plaît. Ich hole Ihren Sohn.“
    Sie war schon fast bei der Tür, als sie es hörte.
    „Arianne …“
    Der Name ihrer Mutter. Ein gebrochenes Flüstern, eine zittrige Bitte, ein erschöpftes Gebet. Alles in einem.
    Abrupt blieb sie stehen. Véronique schloss die Augen und schlug sie wieder auf, da sie fürchtete, dass sie aufwachen und feststellen würde, dass sie nur geträumt hatte.
    Langsam drehte sie sich um und sah ihn an. Ihre Tränen drohten sich Bahn zu brechen. Sie brauchte nur einen Moment, um zu begreifen, was hier geschah, und seine Augen verrieten, dass es ihm genauso ging.
    Er kam mit wackeligen Beinen, ausgestrecktem Arm und zittriger Hand auf sie zu. „Arianne?“ Seine Stimme wurde vor Unsicherheit schwächer.
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zitterten. „Non, Papa … je suis …“
    „Véronique“, flüsterte er und berührte ihr Gesicht.
    Sie blinzelte, und Tränen liefen ihr über die Wangen. Eine tiefe Liebe lag in seiner Stimme, als er ihren Namen flüsterte.

Epilog
    Véronique stand mit pochendem Herzen am Rand des Friedhofs. Sie konnte kaum glauben, dass dieser Tag gekommen war. Und das so bald.
    „Es-tu prête pour ce moment, ma fille précieuse?“ 6
    6 Bist du bereit für diesen Moment, meine wunderbare Tochter?
    Sie schob die linke Hand in die rechte Armbeuge ihres Vaters und hielt in der anderen ihren Blumenstrauß. Bald würde die Zeremonie beginnen. „Oui, Papa. Ich bin bereit für diesen Moment.“
    Als sie sich an ihre Versteckspiele als Kind auf dem Cimetière de Montmartre erinnerte, wurde das Bild vor ihr irgendwie surreal.
    Der Morgendunst lag noch über den Grabsteinen. Er hing im Schatten unter den Zweigen der großen Pappeln und lag mit Anmut an den Ufern von La Fontaine qui Bouille, Fountain Creek. Ein leichter Wind bewegte die goldenen Espen. Ihre hellgelben Blätter zitterten und verbreiteten einen Klang wie von tausend winzigen Glöckchen.
    „Jack Brennan ist ein guter Mann, Véronique. Er ist ein Mann, wie ich ihn dir ausgesucht hätte. Er ergänzt dich, mon Chou.“
    Mein Liebling. Véronique wurde bei diesem Kosewort wärmer ums Herz. Sie verstärkte ihren Griff um den Arm ihres Vaters und spürte trotz seines dicken Mantels, wie zerbrechlich er war. Der süße Klang einer einzigen Geige in der Ferne signalisierte den Beginn. Dann stimmten andere Instrumente mit ein und spielten die bekannte Melodie.
    „Es ist so weit“, flüsterte er.
    Das Lächeln in seinen Augen würde sie nie vergessen, und da sie wusste, dass ihnen nicht mehr allzu viele gemeinsame Tage blieben, freute sie sich besonders darüber. Sie gingen gemeinsam los, langsam und bedächtig, als wäre dieser Weg genauso wichtig wie alles, was noch kommen würde.
    Und in gewisser Weise war es das auch.
    Sie stellte sich Jack an dem Platz vor, den Pfarrer Carlson ihr vorher beschrieben hatte,
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