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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Autoren: Ilona Andrews
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die Art ausstarb.
    Stattdessen schnappte er sich ein schönes saftiges Kaninchen. William leckte sich die Lippen. Hmm, gut. Jetzt musste er nur noch dafür sorgen, dass der Deckel auf seinem Mülleimer blieb. Vielleicht mit einer seiner Hanteln oder ein paar schweren Steinen …
    Durch die Bäume erhaschte er einen Blick auf sein Haus. Wieder nahm er einen Duft wahr: würzig, wie Zimt, mit einer Beimischung von Kreuzkümmel und Ingwer.
    Seine Nackenhaare sträubten sich, und er ließ sich fallen.
    So einen Duft gab es in dieser Welt nur in Bäckereien. So roch nur ein Mensch, der nicht aus dem Edge stammte und dem noch Reste der Magie aus dem Weird anhafteten.
    Ärger.
    Er lag im Düster zwischen den Wurzeln und lauschte. In dem Baum rechts von ihm ließen sich Eichhörnchen zur Nacht nieder. Irgendwo weit weg hämmerte ein Specht auf der Suche nach dem letzten Happen des Tages.
    Die üblichen Geräusche des Waldes.
    William konnte von seinem Versteck aus seine Veranda überblicken. Nichts rührte sich dort.
    Die Strahlen der untergehenden Sonne glitten über die Bodenbretter. Ein kleiner Stern funkelte ihn an.
    Vorsichtig. Vorsichtig.
    William rückte langsam vor, ein dunkler Geist auf weichen Pfoten im Abendlicht. Ein Meter. Zwei. Drei.
    Der Stern funkelte abermals. Auf den Verandastufen stand eine rechteckige, mit einem einfachen Metallriegel gesicherte Holzkiste. Der Riegel glänzte im reflektierten Sonnenlicht. Da hatte wohl jemand ein Geschenk für ihn abgestellt.
    William umkreiste das Haus zweimal. Nahm gespannt Witterung auf, lauschte auf das geringste Geräusch. Dann traf er auf den Pfad, der vom Haus wegführte. Wer auch immer die Kiste gebracht hatte, war nun verschwunden.
    Er näherte sich dem Gebäude und betrachtete die Kiste: Fünfundvierzig Zentimeter lang, dreißig Zentimeter breit, acht Zentimeter hoch. Schlichtes, unmarkiertes Holz. Sah aus wie Kiefer. Roch auch so. Kein Laut aus dem Innern.
    Seine Figuren hatte keiner angefasst. Der von dem mächtigen Hulk gehaltene Brief lag, wo er ihn zurückgelassen hatte. Der Geruch des Eindringlings reichte nicht so weit.
    Mit einer Pfote zog William die Eingangstür auf und schlüpfte ins Haus. Jetzt würde er Finger brauchen.
    Der Schmerz zerriss ihn fast, fuhr ihm durch Mark und Bein. Er knurrte leise, schüttelte sich, konvulsivisch, und sträubte sein Fell. Zwanzig Sekunden Agonie, dann kauerte William auf Menschenbeinen im Wohnzimmer. Zehn weitere Sekunden, und er trat, vollständig angezogen und mit einem langen Messer bewaffnet, auf die Veranda hinaus. Das harmlose Aussehen der Kiste hieß noch lange nicht, dass sie ihm beim Öffnen nicht um die Ohren fliegen würde. Er hatte schon Bomben gesehen, die gerade mal so groß wie ein Untersetzer waren. Die keinen Lärm machten, nach nichts rochen und einem, wenn man drauftrat, die Beine unterm Körper wegfetzten.
    Er griff das Messer, knackte den Riegel und hob den Deckel an. Ein Stapel Papier. Hmm.
    William nahm das oberste Blatt vom Stapel, drehte es um und erstarrte.
    Im grünen Gras lag ein kleiner, übel zugerichteter Körper. Der Junge war höchstens zehn Jahre alt, seine weiße Haut hob sich krass von den roten Placken rings um eine klaffende Bauchwunde ab. Jemand hatte den Jungen mit einem einzigen grausamen Hieb ausgeweidet und ausbluten lassen. Er schwamm in Blut. Überall Blut, auf seinem mageren Bauch, an den Händen, am Löwenzahn ringsum … Hell, furchtbar rot, so leuchtend, dass es schon nicht mehr echt wirkte. Das schmale Gesicht des Jungen war mit milchigen, toten Augen dem Himmel zugekehrt, sein Mund zu einem entsetzten O aufgerissen, die kurzen, rötlichen Haare gesträubt …
    Das ist Jack ! Der Gedanke traf William wie ein Schlag in die Magengrube. Sein Herz raste. Dann sah er sich das Gesicht genau an. Nein, doch nicht Jack. Eine Katze wie er – mit schlitzartigen Pupillen –, aber Jacks Haare waren braun. Der Junge hatte das richtige Alter, die richtige Statur, aber er war nicht Jack!
    William atmete langsam aus, um seiner Wut Herr zu werden. Er kannte das hier. Er hatte den Jungen schon mal gesehen. Nicht auf einem Foto, sondern in der Realität, hatte das Blut und den rohen, unvergesslichen Geruch der Bauchwunde gerochen. Seine Erinnerung beschwor den Anblick herauf, die gespenstische Bitterkeit, die sich nun auf seine Zunge legte, schnürte ihm fast die Kehle zu.
    Das nächste Bild zeigte ein kleines Mädchen, dessen Haare ein Gewirr aus Blut und Hirnmasse waren – jemand
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