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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle
Autoren: Das fremde Kind
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nicht stören», schnaubt
Klas und sinkt mit beleidigter Miene zurück in den Stuhl.
     
    A ls Erstes fällt
ihm auf, wie wenig sich im Haus verändert hat. Das rote Plüschsofa, in dem sie nie
sitzen durften, steht noch immer in der guten Stube, ist aber inzwischen an den
Kanten ausgefranst und abgenutzt. Das Bild mit Maria und dem drallen kleinen Jesuskind.
Die Bibel auf dem dunklen Sekretär, genau dort, wo Signe sie immer abzulegen pflegte.
All die alten schwarz-weißen Fotografien, an exakt demselben Platz wie früher. Konrad
erkennt sich auf zwei von ihnen als Kind wieder und kann nicht umhin, einen Augenblick
lang in der Betrachtung zu versinken. Auf dem einen Bild steht er allein vor dem
Haus, in kurzen Hosen und mit Schultasche unterm Arm. Auf dem anderen thront er
hoch oben auf Hermans breiten Schultern und sieht richtig glücklich aus.
    Dann reißt er den Blick von den Fotos
los und lässt ihn über die übrige Einrichtung gleiten: die gestreiften Bezüge der
Wohnzimmermöbel vor dem Fernsehapparat. Das Bücherregal, angefüllt mit billigem
Nippes. Die alte Wanduhr mit gemaltem Goldrahmen und blechernen Zeigern, an denen
Herman immer aufs Neue herumfingerte, damit sie die richtige Zeit anzeigten. Die
Spitzengardinen, die in Konrads Augen Signes vergilbter Unterwäsche glichen, die
im Garten auf der Leine hing.
    Es ist warm im Haus, die Luft abgestanden
und stickig, doch ein Hauch von Zwiebackduft hängt noch immer in der Luft.
    Konrad wirft einen hastigen Blick in
den Flurspiegel. Von dem Siebzehnjährigen, der damals auszog, ist nichts mehr zu
erkennen. Stattdessen blickt ihm aus gehetzten Augen ein verlebter Fünfundvierzigjähriger
mit struppigem Haar und etwas zu großer Nase entgegen.
    Sie setzen sich einander gegenüber
an den Küchentisch. Eva Ström zieht einen Notizblock aus der Hosentasche.
    «Okay», sagt sie. «Es handelt sich
lediglich um eine Formalität.»
    Er unterbricht sie, bevor sie richtig
anfangen kann. «Haben Sie eine Ahnung ...?» Sie schüttelt den Kopf.
    «Wir arbeiten daran», antwortet sie
vage. «Wir haben gewisse Vermutungen ...»
    «Wohnt Klas eigentlich hier im Haus?»
    «Nein, er hat sein eigenes. Nur ein
paar Hundert Meter von hier entfernt, etwas weiter draußen an den Bahngleisen.»
    Konrad nickt stumm. Im Wald hinter
dem Sportplatz. Es wundert ihn nicht, dass Klas es nicht weiter weg geschafft hat.
    «Es hat eine Weile gedauert, bis wir
Sie ausfindig gemacht haben», beginnt Eva Ström. «Sie sind viel unterwegs, nicht
wahr?»
    «Ja, das kann man so sagen.»
    «Wir haben ein wenig recherchiert.
Wenn ich es richtig verstanden habe, wohnten Sie hier bei Ihren Adoptiveltern, bis
Sie siebzehn waren. Dann haben Sie die Schule beendet und sind zur See gefahren.
Sind durch die Lande gezogen, haben sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Schließlich
tauchten Sie als Journalist in diversen schwedischen Medien auf. Jedoch hauptsächlich
in der deutschen Presse. Haben viel im Nahen Osten gearbeitet, aber Berlin als ersten
Wohnsitz behalten. Stimmt das?»
    Konrad nickt.
    «Vor ein paar Jahren sind Sie dann
aus den Zeitungen verschwunden ...?»
    «Ich hab die Lust verloren.»
    «Ja, ich habe gelesen, was passiert
ist. Es muss furchtbar gewesen sein. Aber darf ich fragen, was Sie seitdem gemacht
haben?»
    Was hatte er gemacht? Konrad versucht
nachzudenken, aber es kommt ihm vor, als flossen die vergangenen zwei Jahre zu
einer einzigen grauen Masse zusammen. War es Sonja, die seiner überdrüssig geworden
war, oder war er es, der aufgegeben hatte? Vielleicht wartet sie immer noch in
Berlin. Und Maria, seine Tochter, ist jetzt schon über zwanzig und kommt allein
zurecht.
    «Ich bin ein wenig rumgereist. Hab
von Erspartem gelebt. Bin zwischendurch Taxi gefahren ...»
    Eva Ström betrachtet ihn eine Weile
forschend. Konrad fühlt sich sofort schuldig. Sie fragt, was er in der vergangenen
Woche gemacht hat, und er antwortet: in der Einzimmerwohnung am Möllevängstorg
in Malmö rumgehangen, die er vor ein paar Monaten zur Zwischenmiete bezogen hat.
Versucht, an seinem Roman zu schreiben, der einfach keine Gestalt annehmen will.
    Wenn er ehrlich sein soll: hauptsächlich
gesoffen und gepennt.
    Dann berichtet sie, was die Polizei
über die Morde weiß: Die Leichen wurden am Montag, den 13. Juni am frühen Morgen
vom Zeitungsboten entdeckt. Sie lagen dicht nebeneinander bäuchlings auf dem Boden
des Schuppens. Jede mit einem kleinen Loch im Nacken, die gesamte Stirn weggeschossen.
Der
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