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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle
Autoren: Das fremde Kind
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versetzt dem leeren Stuhl unter
dem Baum einen Tritt.
    Konrad kommt langsam näher. Als seine
Augen sich an das Dunkel gewöhnt haben, stellt er fest, dass Klas sich weniger
verändert hat, als er angenommen hatte. Er ist groß und kräftig wie eh und je. Die
Muskeln, die sich unter seinem kurzärmligen Hemd abzeichnen, zeugen immer noch
von Kraft. Die Hand, die die Bierdose umfasst, flößt Respekt ein. Das weizenblonde
Haar hat graue Strähnen bekommen, ist aber immer noch dicht und stoppelig. Klas'
Gesicht ist aufgedunsen, schwammig, und glänzt rot, als hätte er tagelang geweint.
    «Ist 'ne ganze Weile her ...», beginnt
Konrad unsicher.
    Er streckt zögerlich seine Hand aus.
Klas schlägt ein und fixiert ihn mit seinem Blick. Obwohl Konrad vorbereitet ist,
muss er sich auf die Zunge beißen, um nicht laut aufzuschreien, als seine Fingerknochen
beinahe zermahlen werden.
    «Es tut mir wirklich leid», sagt er
mit zusammengebissenen Zähnen. «Ich meine das, was Herman und Signe passiert ist.»
    «Klar», brummt Klas. «Dir war ja so
sehr an ihnen gelegen. Deshalb hast du sie ja auch so oft besucht.»
    Konrad versucht, die Feindseligkeit
zu ignorieren.
    «Kannst du sagen, was passiert ist?»
    «Jemand hat sie getötet. Ihnen ins
Genick geschossen. Die reinste verdammte Hinrichtung. Das ist passiert, so wie ich
es verstehe.»
     
    P lötzlich wird
ihm schwarz vor Augen. Nicht schon wieder! Die Panik umklammert Konrads Brustkorb,
presst ihm die Luft aus den Lungen, genau wie damals. Er gerät aus dem Gleichgewicht
und sinkt auf dem Stuhl nieder.
    Sein Kopf ist erfüllt von schrillen,
aufgeregten Stimmen, die unermüdlich schreien. Er befindet sich in einem Keller
weit, weit weg. Alles, was er spürt, ist Panik. Er sieht nichts, er ist blind, und
die Augenbinde hat seine Wangenknochen blutig gerieben. Er versteht kein Wort. Was
wollen sie bloß? Warum sind sie so aufgebracht? Mahmoud fleht um sein Leben. Er
selbst schreit geradewegs in die Leere hinaus.
    Dann ist ein einziger lauter Knall
zu hören. Mahmouds Flehen verstummt unmittelbar. Es riecht nach Tod. Jemand lacht
trocken. Dann bekommt er einen kräftigen Tritt in den Rücken, danach noch einen
an den Hinterkopf, und alles wird wieder still.
     
    N ach einigen
Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit erscheinen, kommt er wieder zu sich. Zuerst
weiß er nicht genau, wo er ist, dann sieht er Klas unsicher grinsen. Konrad richtet
sich auf dem Stuhl auf und schüttelt vorsichtig den Kopf. «Bist du etwa ohnmächtig
geworden?»
    «Ja. Nein, nicht richtig. Es war eher,
als war mir das Blut aus dem Kopf gewichen, du weißt schon ...»
    Er hört selbst, dass es nicht gerade
überzeugend klingt. Der andere sieht ihn skeptisch an. «Niedriger Blutdruck?»
    «Ja, so was in der Richtung ...»
    Konrad sitzt vollkommen still, um wieder
einen klaren Kopf zu bekommen. Die reinste verdammte Hinrichtung! Er weiß, dass
er dieses Grauen bis an sein Lebensende mit sich herumtragen wird.
    Doch Klas scheint nicht viel mitbekommen
zu haben. Es ging ja ziemlich schnell vorbei. Konrad versucht, den Faden wieder
aufzunehmen.
    «Weißt du ...?», beginnt er.
    Die Antwort kommt prompt.
    «Frag sie.»
    Klas nickt mit dem Kopf in Richtung
des abgesperrten Geräteschuppens, dessen Tür gerade aufgeht.
    «Es ist ihr Job, Bescheid zu wissen.
Die Bullen sind fast die ganze Zeit hier gewesen, seit es passiert ist.»
    Eine Frau kommt heraus und nähert sich
ihnen auf dem Kiesweg, hält dann jedoch inne, als hätte sie etwas vergessen. Sie
dreht sich um und sagt etwas zu jemandem, der noch im Schuppen ist. Dann kommt sie
auf die beiden zu. Sie trägt ausgewaschene Jeans und ein T-Shirt mit feuchten Flecken
unter den Armen. Ein schwacher Geruch nach Schweiß schlägt Konrad entgegen.
    Er steht vorsichtig auf, um sie zu
begrüßen.
    «Sie sind also Konrad Jonsson, vermute
ich», sagt sie. «Schön, dass Sie kommen konnten. Ich bin Eva Ström, Kriminalinspektorin.
Meine Kollegin hat Sie angerufen.»
    Sie macht eine Pause und schaut von
Konrad zu Klas, der immer noch im Gartenstuhl hängt.
    «Sie haben sich lange nicht gesehen,
oder?»
    Keiner von ihnen antwortet.
    Sie schaut sich unsicher um, als suche
sie etwas, und wendet sich dann wieder an Konrad.
    «Wir sollten vielleicht reingehen ...?»
    Konrad nickt. Klas lässt die leere
Bierdose ins Gras fallen und macht Anstalten aufzustehen.
    «Ich würde am liebsten jeweils unter
vier Augen mit Ihnen sprechen», sagt Eva Ström schnell.
    «Lassen Sie sich
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