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Lady meines Herzens

Lady meines Herzens

Titel: Lady meines Herzens
Autoren: Rodale Maya
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Ausatmen.
    Näherin oder Dienerin, Gouvernante oder Mätresse …
    Immer wieder betete sie sich diese Alternativen zu ihrem Beruf als Schreiberin im Stillen vor. Gewöhnlich beruhigte sie dies wie ein Schlaflied. Sobald die Braut und der Bräutigam vor dem Altar standen, würde das Unwohlsein schwinden. Bis dahin …
    »Immer noch?«, fragte Julianna. Sophie hatte Mühe zu atmen. Ihre Lippen bewegten sich, während sie in Gedanken wiederholte: Näherin oder Dienerin, Gouvernante oder Mätresse …
    Sophie nickte bloß. Sie befürchtete, man könnte ihr ansehen, dass sie langsam verrückt wurde und auf direktem Weg in die Nervenheilanstalt Bedlam gebracht werden sollte.
    »Mein Gott, ich würde diesen niederträchtigen Mistkerl liebend gerne zum Krüppel machen«, sagte Julianna. Und obwohl sie inzwischen ihren Frieden mit dem Mann geschlossen hatte, der sie sitzen gelassen hatte, empfand Sophie im Augenblick etwas sehr Ähnliches.
    »Du sprichst mir aus dem Herzen«, sagte sie daher bloß.
    »Wenn er dich nicht so schmählich im Stich gelassen hätte, wärst du natürlich nie zu mir nach London gezogen, und wir würden keine Zeitungsgeschichte schreiben. Insofern könnte man behaupten, dass der alte Matthew Fletcher uns einen Gefallen getan hat.«
    Sophie funkelte ihre Freundin mordlüstern an. Auch wenn das Leben in London recht angenehm war – es bot aufregende Partys, Theaterbesuche, Einkaufsmöglichkeiten und Gesellschaften –, würde sie all das sofort aufgeben, wenn sie nur einen guten, verlässlichen und ehrlichen Ehemann fand.
    »Sonst wären wir nicht hier«, fuhr Julianna fort.
    »Warum dauert das denn bloß so lange?«, flüsterte Sophie. Das war der Moment, in dem sie immer besonders nervös wurde. Wenn sich jemand verspätete und wenn es so schien, als liefe die Trauung nicht reibungslos ab. Wenn zum Beispiel jemand vor den Augen aller Anwesenden sitzen gelassen wurde.
    Ehrlich, das sollte niemand ertragen müssen!
    »Vermutlich ist ein Saum gerissen oder irgendetwas anderes dazwischengekommen. Oh mein Gott, das wird er nicht !«, rief Julianna.
    »Was ist los?«, fragte Sophie.
    »Der Bräutigam hat gerade den Altar verlassen«, erklärte Julianna aufgeregt. Der Lärm von Hunderten Gästen, die unruhig miteinander flüsterten, wurde lauter. Eigentlich sollte sie sich darüber freuen, denn ein Skandal würde ihre Kolumne beleben. Aber Sophies Herz – oder das, was davon noch übrig war – schmerzte zu sehr.
    Sophie zwang sich, tief durchzuatmen. Den Mistkerl zum Krüppel machen – das genügte ihr nicht als Strafe für Matthew Fletcher. Jetzt dachte Sophie eher an Mord. Ein Jahr danach konnte sie noch immer keine Hochzeit ertragen, ohne unter heftigen Schmerzen zu leiden!
    »Wo ist die Braut?«, fragte sie ihre hochgewachsene Freundin, die mehr erkennen konnte.
    »Ich kann sie nicht sehen«, antwortete Julianna.
    »Ich ertrage das nicht länger«, wisperte Sophie. Sie stand auf und verließ die Bank. Zum Glück hatte sie die Weitsicht besessen, am vom Mittelgang abgewandten Ende der Kirchenbank Platz zu nehmen.
    »Aber deine Kolumne!«, erinnerte Julianna sie. Die Hochzeitsgäste in den umliegenden Bänken drehten sich neugierig um, sie wollten einen Blick auf die Autorin von »Miss Harlows Hochzeiten in besseren Kreisen« erhaschen. Sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten aufgeregt, weil sie auf dieser Hochzeit zugegen war.
    »Mach ein paar Notizen für mich. Bitte«, flehte Sophie. Sie gab ihrer Freundin Papier und Stift.
    Sophie hielt den Blick gesenkt, als sie aus der Kirche stürmte. Selbst an einem guten Tag konnte sie es kaum ertragen. Heute war es einfach zu viel. Sie kannte nur einen Gedanken: schnell fort von hier, ehe sie in Tränen ausbrach. Letztes Jahr um diese Zeit war sie aus einer anderen Kirche geflohen. Damals waren die Umstände anders gewesen. Vielleicht durfte sie eines Tages eine Kirche an dem Arm ihres eigenen Bräutigams verlassen.
    Das helle Sonnenlicht blendete sie, als sie nach draußen trat. Aber Sophie schob sich ohne Zögern durch die Menge der Leute, die vor der Kirche warteten, weil sie einen Blick auf die Braut und die anwesenden Gäste werfen wollten. Sie eilte vom Hanover Square in Richtung Piccadilly. Die Augen hielt sie auf den Boden gerichtet und nahm nichts um sie herum wahr, bis der Schrei einer Frau sie aufsehen ließ. Abrupt blieb Sophie stehen.

Kapitel 2
    Noch ein Monat bis zur Hochzeit …
    White’s Club für Gentlemen
St. James’s Street,
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