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Kuss des Feuers

Kuss des Feuers

Titel: Kuss des Feuers
Autoren: Kristen Callihan
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Poppy war einfach in der Bibliothek verschwunden, um nach einer Erklärung zu suchen: Sie hatte nie eine gefunden. Nur Daisy war gebührend beeindruckt gewesen, aber gleichzeitig auch recht verstimmt, weil sie keine ähnlich übersinnliche Gabe besaß. Auf die Frage, die sie sich selber immer wieder stellte, bekam sie keine Antwort: War sie ein Monster? Die Schöne und das Biest verbunden zu einer instabilen Kraft? Trotz ihres Bedürfnisses, mehr über sich zu erfahren, überwog die Angst, derjenige, dem sie die Frage stellte, könnte sich von ihr abwenden, wie Martin es getan hatte. Deshalb behielt sie die Frage für sich. Auch ihrem Gatten in spe würde sie nichts davon sagen. Nein. Aber sie betrachtete es als einen gewissen Trost, dass sie der Situation nicht gänzlich schutzlos ausgeliefert war.
    Da ihre Schwestern und ihr Vater sich gegenseitig wie Luft behandelten, hielt das Poppy und Daisy auf Abstand, während ihr Vater ihr nicht von der Seite wich und von vornherein alle Fluchtversuche ihrerseits unterband. Ihr Geplapper war für sie nur ein unverständliches Summen. Die Hand ihres Vaters an ihrem Arm nahm sie kaum wahr, als sie sich zur kleinen Familienkapelle am Fluss begaben.
    Reverend Spradling erwartete sie bereits an der Tür. Die Falten um seinen fleischigen Mund bildeten tiefe Kerben, als sein Blick von Miranda zu ihrem Vater wanderte. »Lord Archer ist …« Er wackelte mit dem Kopf und zerrte an seinem Priesterkragen, der seinen Stiernacken zu eng umschloss. »Er wartet in der Sakristei.«
    »Wunderbar«, sagte ihr Vater mit einem dümmlichen Lächeln.
    »Er möchte sich unter vier Augen mit Miss Ellis unterhalten«, hielt der Reverend ihren Vater auf, als dieser durch die Tür gehen wollte. »Ich habe ihm erklärt, das sei unpassend, aber er beharrt darauf.«
    Die beiden Männer richteten den Blick auf Miranda. Dann war wohl jetzt ihre Meinung gefragt. Sie hätte am liebsten gelacht, fürchtete aber, dass es nach einem Schluchzen klingen könnte.
    »Na gut.« Sie raffte die Röcke. Ihre Finger hatten sich längst in Eis verwandelt, und so rutschte ihr der Stoff durch die steifen Finger. Sie griff fester zu. »Es wird nur einen Moment dauern.«
    Langsam ging sie auf die Tür der Sakristei zu, die bedrohlich vor ihr aufragte. Endlich trat sie jenem Mann gegenüber, der bald ihr Ehemann sein würde, jenem Mann, der Grobiane ins Krankenhaus schickte und Frauen dazu brachte, bei seinem Anblick vor Entsetzen in Ohnmacht zu fallen.
    Kerzengerade wie ein Soldat stand er am anderen Ende des Raumes. Frauen benahmen sich manchmal ausgesprochen lächerlich, dachte sie, als sie den Blick über ihn gleiten ließ.
    Sie schloss die Tür hinter sich und wartete darauf, dass er das Wort ergriff.
    »Sie sind gekommen.« Er konnte die Überraschung, die in seiner tiefen Stimme mitschwang, nicht ganz unterdrücken.
    »Ja.«
    Er war groß und gut gebaut, doch es war kein Gramm überflüssiges Fett an seinem Körper zu erkennen. Seine breiten Schultern ließen ihn kräftig erscheinen, aber auch die Muskeln, die der dunkelgraue Cutaway – wie kunstvoll er auch geschneidert sein mochte – nicht ganz verbergen konnte, und die langen, kräftigen Beine, die in eine Hose aus feiner grauer Schurwolle gehüllt waren, trugen zu seiner Stattlichkeit bei. Er verfügte nicht über die schmale, elegante Silhouette eines kultivierten Mannes, sondern die grobe, das Zupacken gewohnte Gestalt eines Hafenarbeiters. Kurz gesagt: Lord Archer besaß die Art von männlichem Körper, der die Blicke aller Frauen auf sich zog und festhielt – hätte es da nicht einen kaum zu übersehenden Makel gegeben.
    Sie hob den Blick zu seinem Gesicht oder eher zu der Stelle, wo es hätte sein sollen. Mit einem geheimnisvollen Lächeln, das auf seinen Lippen festgefroren zu sein schien, erwiderte nur eine schwarze Maske, wie man sie gewöhnlich während des Karnevals trug, ihren Blick. Unter der Maske umhüllte dichte, schwarze Seide seinen Kopf, sodass kein bisschen Haut zu sehen war. Das Widernatürliche seiner Kostümierung konnte einen verunsichern, aber sie war auf keinen Fall bereit, in Ohnmacht zu fallen.
    »Ich hielt es für das Beste«, meinte er, nachdem er sich von ihr ausgiebig hatte mustern lassen, »dass Sie genau wissen, worauf Sie sich bei dieser Verbindung einlassen.« Finger, die in schwarzen Handschuhen steckten, glitten über den silbernen Griff des Spazierstocks, den er hielt. »Da Sie meine Frau sein werden, wäre es dumm, zu
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