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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
Autoren: Petra Hulova
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Staubwolke durch die Steppe raste, kamen aus den Ger seiner Männer Krieger in karminroten Deels gelaufen, einen Sack mit getrocknetem Fleisch und einen harten hölzernen Sattel über dem Arm. Ihre Frauen und Kinder bespritzten sie mit Milch, um ihnen Glück zu wünschen, und winkten ihnen nach, und Onon, seine Krieger hinter sich, stieß jeden Beschluss des Khans um. Daher sank der Kaschmirpreis zeit seines Lebens nie so tief, als dass sich Großmutters Familie mit Häuten hätte abgeben, mit Fleisch hätte schachern und sich irgendwie extra um die Milch hätte kümmern müssen wie alle anderen, denen nichts anderes übrigblieb, als sich dauernd mit den habgierigen Chinesen um jeden Yuan zu streiten. Dolgorma hat die Chinesen immer ein bisschen verachtet. Ihre Familie war nie auf sie angewiesen, und daher musste sie selbst sich auch nie mit ihnen einlassen.«

    Ich hörte Papa schon länger nicht mehr zu, die Namen der Ahnen kamen mir durcheinander, Papa hatte sie nie zuvor genannt, und außerdem kroch ein schöner glänzender blauer Käfer auf Magis Kopf herum, und ich wollte zugucken, wie geschickt er sich zwischen den Haaren durchwand, und dabei ein kleines Nickerchen machen, war doch die Sonne schon lange untergegangen, und aus der Erde begann langsam Kälte aufzusteigen.
    Ich zappelte in meinem Deel herum, Papa sprach immer noch von den Chinesen, jetzt gerade davon, ob der Dawchaner Gemüsehändler, und zwar der Vater des heutigen, ein Erliiz war oder nicht, seine Mutter hatte sich dauernd mit jemandem eingelassen, und es war daher gut möglich, doch hatte sein Papa, der alte Dordsch, ihn wie ein eigenes Kind behandelt. »Andererseits aber ist der alte Dordsch ein solcher Trottel, der würde, egal welche Rotznase, die ihm seine Alte, auf die er aus unbegreiflichen Gründen nichts kommen lässt, ins Wickelzeug verpackt zugeschoben hätte, vertrauensselig als sein eigenes Kind angenommen haben. So dass eigentlich der Dawchaner Gemüsehändler letztlich vielleicht tatsächlich ein Erliiz ist.«
    So redete Papa eine Zeit lang, und ich hatte schon die Augen zu und hörte Papas Worte aus der Ferne, in meinem Kopf ein süßes Rauschen und das Bild eines großen unbekannten Käfers, dessen Flügel das gleiche rautenförmige Muster hatten wie die Wände unseres Ger, wenn wir mit Mama, bevor wir weiterziehen, alle Filzmatten abnehmen.
    Ich hatte mir schon gesagt, ich könnte ruhig einschlafen, weil Papa, wenn er vom Dawchaner Dordsch und seinem Sohn sprach, mit Großmutter wohl schon fertig war und ich nichts Interessantes erfahren würde, weil ich die Dordsch-Geschichte
bis zum Überdruss kannte, als ich plötzlich hörte, dass Papa schwieg. Vielleicht schwieg er schon länger, und ich hatte es verschlafen. Blitzschnell öffnete ich die Augen, es wäre eine Schande, würde Papa mich so schnarchen sehen, wo es doch nicht so häufig vorkommt, dass er erzählt. Das ging mir durch den Kopf, als meine Lider nach oben zischten, und da erblickte ich Papa, wie er mir unverwandt ins Gesicht schaute, und meine Schwestern glotzten auch, und ich errötete nur und schlug die Augen nieder und spürte, dass ich in ihrer Mitte auf einmal ganz allein war, wie bei den Kälbern, wenn eines mit einem gespaltenen Hinkehuf geboren wird, oder wenn ein schwarzes Lamm zur Welt kommt. Aber diese Tiere sterben sofort, weil niemand sie will, nicht einmal die eigenen Mütter wollen sie an sich heranlassen, und wenn sich so ein Lamm hungrig zur Zitze drängt, bekommt es einen Tritt und verendet stets nach zwei, drei Tagen. Und plötzlich fühlte ich mich wie dieses missratene Lamm, weil dieser Vorfall mit dem Dawchaner Gemüsehändler, der hatte mit mir selbst zu tun.
    Dann meinte Papa, es sei schon spät und wir würden aufbrechen. Aber bevor wir noch den Pferden in die Rippen traten, beugte er sich zu Magi und sagte ein wenig im Spaß, aber eher deswegen, damit es Magi nicht zu sehr zu Kopf stiege und uns beiden wiederum nicht so leidtäte, dass Großmutter sich bestimmt freuen würde, wenn die erste Enkelin ihres Lieblingssohns Dolgorma hieße. Magi warf nur den Zopf zurück. Es ist gut, die Älteste zu sein. Das wussten wir alle.

    Manchmal kam mir der Gedanke, Ojuna hätte ziemliches Pech, weil sie so klein war und sich daher niemand von uns mit ihr abgeben wollte. Mit Ojuna daheimzubleiben, wenn
alle anderen zu Munchtsetseg fuhren, um Kumys zu verkosten, ins Somon-Zentrum, unser Radio reparieren zu lassen und kleine Einkäufe zu erledigen,
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