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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
Autoren: Petra Hulova
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an, Nara war ein bisschen heller als wir Übrigen, und außerdem konnte sie mein Gefühl der Einsamkeit besser verstehen.
    Das kannte Nara nämlich sehr gut.

    Den Großteil der Zeit zwischen meinem dritten und siebten Lebensjahr verbrachte ich im Chuuchdijn Tsetserleg. Nara auch. Der Altersunterschied zwischen uns beträgt nur ein Jahr und einen Monat, und so gaben sie uns gemeinsam dorthin. Ich hätte ohne Nara nicht hingewollt, und Mama war froh, dass es in einem Aufwasch ging.
    Unser Chuuchdijn Tsetserleg befand sich, wie die meisten Kindergärten, im Somonzentrum, dem einzig Stadtähnlichen, das wir damals kannten.
    Ein paar umzäunte Ger, etliche leichte Holzhäuschen, die sich im Winter nicht richtig heizen ließen und in denen es im Sommer vor Hitze nicht auszuhalten war, und ein paar gemauerte große Häuser, in denen Russen lebten. Außer dem Kindergarten waren da noch eine Schule, ein Doktor, das
Haus der Revolutionspartei und des Somonpräsidiums und dann das Kulturzentrum, wo Jahrestage gefeiert wurden und wohin die Eltern wählen gingen.
    In den Chuuchdijn Tsetserleg brachten uns unsere Eltern zum ersten Mal an einem sonnigen Septembertag des Jahrs der Schlange und von da an fuhren sie uns in jedem neunten Monat hin, immer nach dem Ende unserer Sommerferien, wenn fast alle Kinder aus ihrem Ger in die kalten Internatsgebäude zurückkehrten.

    Wir fuhren mit unserem UAZ, Papa hatte ihn soeben von seinem Schwager Tsoboo gekauft, einem gewieften Geschäftsmann, der mit Jeeps aus Nowosibirsk handelte. Papa ließ sich früher gern als Fahrer anheuern, und weil Tsoboo immer nur Versprechungen machte, aber nie zahlte, fuhr Papa den Jeep einmal statt in die Stadt vor unser Ger. Großmutter rang die Hände, und Papa versprach, das Auto gleich am nächsten Tag zurückzubringen. Damit war die Sache erledigt. Mama lernte mit der Zeit fahren, und in die Schule brachte sie uns dann auch.
    Papa hielt direkt vor dem frisch verputzten Schulgebäude. An den Pfählen schnaubten die müden Pferde der Mongolen, die weit weg wohnten, und um sie herum standen stumme Häufchen Erwachsener, die einander nicht kannten, und Grüppchen Verwandter, die hier zufällig zusammengetroffen waren. Während eine Buddel die Runde machte und die Erwachsenen in glänzenden Festdeels in gehobener Stimmung ein paar Tropfen in jede Himmelsrichtung spritzten, sprangen die Kinder herum und zogen einander an den Haaren, oder sie duckten sich verängstigt neben den Eltern in der bösen Vorahnung des baldigen Abschieds - wie wir beide.

    Nara musste von Anfang an etwas gespürt haben. Sie ließ sich nicht einmal für einen Augenblick von den lachenden Gesichtern der Kinder um sich herum täuschen und versetzte einem Jungen, der sie von hinten freundschaftlich zu würgen begann, einen derartigen Tritt, dass er dann während der ganzen Eröffnungsrede des Somonvorsitzenden flennte.
    Ich mochte unseren Aufenthaltsraum, wo wir einen Bakelitwagen mit Pferden hatten, einen kleinen Wolf mit echtem Wolfsfell, einen Baukasten von einem befreundeten Kindergarten in Wladiwostok, kleine Haken mit Kinderhandtüchern und einen Kreis aus Stühlchen, von Anfang an sehr. Nara nicht.
    Nara durchschaut die meisten Dinge früher.
    Die Lehrerinnen setzten uns auf die Stühlchen, alle hatten wir aus den Handflächen ein Schüsselchen geformt, und eine Lehrerin mit einer kleinen Tüte grauer Schokoladebonbons der Marke Solntse Rebjat, die nach Erwachsensein schmeckten und wie alle Dinge aus unserem Somonladen rochen, machte die Runde. Dann fuhren die Eltern weg.
    Nach einigen Tagen war klar, dass Nara bei allen Spielen stets eine Außenseiterin sein würde. An der Farbe des Steppensandes, in den die Sonne untergeht, an dieser warmen braunen Schattierung ihres Haars, fand niemand Gefallen außer mir.
    Nara war eine Oros, so sagten die Lehrerinnen, wenn sie den kleinen Wolf auf den Boden schlug oder den Tee nicht wollte, der nicht genug salzig und fett war. So wie die dicken burjatischen Lehrerinnen, begannen auch die anderen sie zu verhöhnen. Ich sagte es sofort Papa. Er lief zuerst violett an und ballte die Fäuste, und dann entspannte sich sein Gesicht und bekam einen gleichsam schadenfrohen Zug, aber das ist
nicht sicher, weil er schließlich mit energischer Stimme sagte, wir sollten uns nichts draus machen, dass uns nur ja nicht einfiele, den Lehrerinnen nicht zu gehorchen, und dass wir die Sache für uns behalten sollten.
    Und weil Papa noch gesagt hatte, schlecht
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