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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Autoren: Guenter Broedl
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ist. „Der Kopfschuss steht, Kurtl! Und wir fliegen nach Teneriffa! Der Roman, du und ich!“
    Melanie hat ein schwarzes Bic-Feuerzeug aus ihrem kleinen Lederrucksack geholt und der Herr Josef ein giftgrünes aus den Taschen seines weißen Arbeitsmantels. Beide wollen mir Feuer geben, aber ich hab die Marlboro längst vergessen. „Von welchem Kopfschuss sprichst du, Trainer, und von welchem Roman?“, frage ich.
    „Vom Roman, der das Treatment für die Fremdenverkehrs-und Filmbehörde ins Spanische übersetzt hat und auf Teneriffa für uns dolmetschen wird.“
    „Roman Schindler?“
    „Bingo“, lacht der Trainer.
    „Roman Schindler ist tot, Trainer“, sage ich.
    „Kann nicht sein“, plaudert er weiter. „Wir sind vor einer halben Stunde aus Payerbach zurückgekommen und er sitzt jetzt mit einem Gösser bei mir im Wohnzimmer und schaut sich Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia an. Stimmt’s, Roman?“
    Im Hintergrund ist der Fernsehton zu hören und eine männliche Stimme fragt: „Was?“
    „Hör mir zu, Trainer: Roman Schindler wurde im Burgenland erschossen. Also kann er sich bei dir nicht Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia anschauen. Das war Melanie Echsner, die sich bei dir Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia angeschaut hat, und zwar an dem Tag, als du verschwunden bist. So schaut’s aus.“
    „Sam Peckinpah“, meldet sich der Polifka Rudl von seinem Stammtisch. „Spitzenfilm.“ „Woher kennst du die Melanie?“, fragt der Trainer nicht mehr ganz so euphorisch.
    „Vom Doc“, sage ich.
    „Und woher kennt der Doc die Melanie?“
    „Keine Ahnung. Vergessen. Tatsache ist aber, dass sich in deinem Wohnzimmer gerade ein Toter einen Videofilm anschaut und dabei ein Gösser trinkt. Darüber sollten wir reden, Trainer. Und zwar jetzt gleich!“
    „Könnte es sein, dass du irgendwelche komischen Drogen nimmst, Kurtl?“, erkundigt sich der Trainer, einen Anflug von Besorgnis in der Stimme.
    „Nein“, sage ich. „Aber ich bin trotzdem kurz davor, den Verstand zu verlieren. Drum pack deinen lebenden Toten in deine froschgrüne Rostlaube und komm her. Wir warten! “

27. DOS BURROS,
MEXICO

    Es gibt Tage, an denen fühlt man sich, sobald man die Augen aufschlägt, von Gott und der Welt verlassen. Als ich in Hondos Hütte aufwache, vermisse ich weniger Gott und diese Welt als vielmehr einen beträchtlichen Teil meines Kurzzeitgedächtnisses und ein engelsgleiches Wesen namens Linda.
    Sie ist ganz einfach weg, als wäre sie tatsächlich nicht von dieser Welt, bloß eine Geisterscheinung, eine Halluzination, eine Fata Morgana. Kein Zettel mit ihrer Adresse oder Telefonnummer in Austin, Texas, keine nette kleine Botschaft zum Abschied, kein Papiertaschentuch mit dem Abdruck ihres kirschroten Kussmundes, keine seidenweiche, pechschwarze Locke ihres Haares auf dem leeren Kissen neben mir. Keine Spur von Linda, rein gar nichts.
    „Hondo!“, rufe ich.
    Aber der Alte antwortet nicht.
    Er sitzt vor seiner Hütte und starrt in die Feme. Verständlich.
    Denn Dos Burros sieht an diesem frühen Morgen aus wie eine Deponie vor der Erfindung der Mülltrennung: Weißglas und Buntglas in Form von Schnaps- und Weinflaschen, diverse Kunststoffe in Form von Benzinkanistern, Fleischtassen, Plastikfolien, (gebrauchten) Kondomen, Verpackungsmaterial, Mineralwasserflaschen, Schaschlik- und Cocktailspießchen, Nylonsaiten, Limonadepäckchen, Strumpf- und Unterhosen, Alufolien sowie Bio-Müll in Form von Hühnerknochen, Schweineknochen, Salatblättern, Chilischoten, Zwiebelschalen, Knoblauchzehen, Kartoffel-Chips, Maiskörnern, Wurstresten, Avocadokernen und Erbrochenem bedecken den Wüstenboden, auf dem Ramon und seine Junkyard Angels bis vor kurzem den alten Hondo und die Toten gefeiert haben.
    „Und den ganzen Dreck haben sie dem Opa dagelassen“, denke ich mir, obwohl Umweltschutz im Allgemeinen und korrekte Müllentsorgung erst recht nicht so meine Themen sind.
    „Irgendwie kein schöner Zug von Ramon und seinen Freunden, eine solche Sauwirtschaft zu hinterlassen“, sage ich zu Hondo.
    „Kein Problem“, meint Hondo, „ich hab ein Jahr Zeit, ihren Mist im Sand zu vergraben. Und was weiß man, vielleicht wächst daraus was Neues? Chilis, Avocados oder ein fettes Schwein? Hast du die Spareribs gekostet, amigo? Nein? Die waren muy rica, wirklich ein Gedicht!“
    „Wo ist Linda?“, frage ich den alten Mann, der meinen umwelttechnischen Überlegungen anscheinend nicht folgen will. „Linda? Wer ist
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