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Kunstraub im Städel

Kunstraub im Städel

Titel: Kunstraub im Städel
Autoren: Frank Demant
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Vitrine entnahm er zwei Gläser, hielt sie gegen das Licht, um sie auf Sauberkeit zu prüfen, und füllte sie mit Gin Tonic. Er hatte nachher noch eine andere Verabredung und wollte nicht nach Alkohol riechen.
    „Hier. Ohne Eis, so wie du’s magst.“
    „Danke. Auf was willst du anstoßen? Auf die Zukunft? Haha. Es gibt keine Zukunft, mein Lieber. Es hat sie noch nie gegeben. Irgendwann erwischt’s uns alle. Auch dich. Haha.“ Die Worte wurden dem Conte mit größter Verbitterung entgegengeschleudert.
    „Wie du meinst“, sagte der Conte leise. Wieder einmal wunderte er sich, wie sein Freund sich so hatte ändern können. Oder hatte er selbst sich geändert? Oder jeder von ihnen sich so weit, dass keiner mehr die Kluft überbrücken konnte oder wollte? Wie auch immer, sagte er sich, die Vergangenheit kann keiner zurückbringen. Sie ist tot für alle Zeit.
    „Ja, ich meine.“ Pedro trank aus und schleuderte das leere Glas in den Kamin. „Haha, so wie früher. Erinnerst du dich? Los, du jetzt!“
    „Nein. Lass gut sein. Nichts ist wie früher …“
    „Na endlich“, erwiderte der Maler zynisch, „hast du's kapiert. Und das noch in diesem Leben. Chapeau! Chapeau!“ Er klatschte in die Hände und legte ein paar Tanzschritte aufs Parkett.
    „Du gehst jetzt besser.“
    „Wie? Ich versteh dich nicht. Hast du mich gerade rausgeworfen? Oh, dass ich das noch erleben darf.“ Pedro deutete einen Knicks an und fuhr fort: „Aber du hast recht. Ein einziges Mal hast du recht. Ich gehe jetzt. Wo ist das Geld?“
    „Der kleine rote Koffer in der Eingangshalle. Du hast ihn sicher beim Reinkommen gesehen.“
    „Hab ich. Na dann, mein guter alter Freund. Wie verabschiedet man sich, wenn man sich nicht wiedersehen will?“
    „Leb wohl?!“
    „War das jetzt eine Frage? Leb wohl – ist das alles, was bleibt? Leb wohl?“
    „Du bist doch der Experte in solchen Dingen …“
    „Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.“ Pedro verzog seine Gesichtszüge zu einer nachdenklichen Grimasse. Doch bevor er eine Antwort wusste, bekam er Panik, den richtigen Zeitpunkt für seinen Abgang zu verpassen. „Ich geh dann mal. Salü, mein Freund.“ Schnellen Schrittes und hoch erhobenen Hauptes eilte er etwa einen Meter am Conte vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Der Conte sah ihm nachdenklich nach, dann ging er zum Fenster. Erst als das Auto am Ende des in der Sonne fast weiß glitzernden Kieswegs hinter Zypressen und Außenmauer verschwunden war, löste er sich aus seiner Erstarrung.
    Er stellte den alten Zustand der Beleuchtung wieder her und legte eine CD ein. Sein Lieblingsstück war Salve Regina von Claudio Monteverdi, der ungefähr in derselben Zeit gelebt hatte wie der Maler, dessen Fälschung der Conte nun versonnen betrachtete: Holbein der Ältere. Über ihn hatte er seine Diplomarbeit geschrieben, seiner Bildern wegen war er um die ganze Welt gereist. Und bald würde das Original für immer in seinem Besitz sein. Er konnte es betrachten, wann immer ihm danach war.
    Doch erst musste die Fälschung nach Frankfurt. Den bescheuerten Picasso würde das Städel als Original zurückbekommen, den entarteten Beckmann ebenso. Aber nicht den Holbein. Und sie werden es nicht einmal merken, da war sich der Conte absolut sicher.
    Pedro war froh, Andorra hinter sich zu wissen. Er mochte diesen komischen Flecken Erde nicht, war stets nur dort gewesen, um den Conte zu besuchen. Doch erst als er den Monte Perdido passierte, fühlte er so etwas wie Erleichterung. In einer halben Stunde würde er das Bergdorf erreicht haben. Sein Bergdorf, denn er war der einzige Einwohner, der auch den Winter über dort lebte. Und er hatte nun genug Kohle, um sich stilvoll dem Tode entgegenzusaufen. Wenn er sich nicht verrechnet hatte, würden all seine Malerutensilien, die er heute vor der Abreise in die Mülltonne geworfen hatte, bereits in der Verbrennungsanlage den Flammen zum Opfer gefallen sein. So schließt man mit der Vergangenheit ab, sagte er sich. Nur so! Dass nichts bleibt.
    –
    Die Handwerker waren mit ihrer Arbeit früher fertig geworden, als von Herrn Schweitzer erwartet. Die Hängematte hatte er an den zwei dafür vorgesehenen Haken befestigt. Er hatte vor, noch ein bisschen rumzulungern, bevor es ans Grillen ging. Da er nicht wusste, wohin mit seinem Glas Wasser, funktionierte er kurzerhand einen kleinen, kaum kniehohen Blumentisch um, den er neben die Hängematte stellte. Das Idyll wurde durch einen Ventilator
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