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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen
Autoren: Nicole Zepter
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Qualität
    Die Kuratorin des Hamburger Bahnhofs, Dorothée Brill, hat sich, wie sie später erzählen wird, im Rahmen der Ausstellung »Soma« mit einer künstlerischen Position auseinandergesetzt, die sie als gut und interessant erachtet. Doch worin liegt diese Qualität begründet? Die Kunsthistorikerin kann es nicht einfach in Worte fassen. Ein Aspekt, so sagt sie, liegt im Kontext. »Die Qualität eines Werkes erschließt sich ja nicht im luftleeren Raum, sondern aus einem Zusammenhang heraus. Da gibt es die kunsthistorische Vorgeschichte genauso wie den Kontext des Œuvres. So ist ein Aspekt, der sicher auch Udo Kittelmann, den Direktor der Nationalgalerie, seinerzeit von der Qualität dieses Projektes überzeugte, seine Position im Gesamtwerk des Künstlers. Hier laufen verschiedene Stränge von Höllers künstlerischer Entwicklung und der für ihn wichtigen Fragestellungen zusammen und bilden in der Kombination noch einmal was Neues. Die Zusammenarbeit mit Höller war ungewöhnlich. Üblicherweise widmet man sich einem Künstler oder einem Thema, verschafft sich einen Überblick, sucht einen bestimmten Fokus und wählt aus dem bereits Bestehenden aus.« Was ist bei Carsten Höller anders? »Hier war es die Besonderheit, dass es nicht nur die Ausstellung, sondern auch das Werk in dieser Form noch nicht gab. Es war der Reiz, einem Künstler eine Plattform zu bieten, um etwas zu schaffen, das untrennbar mit diesem Ort verbunden ist. Es gab Gedankenstränge und Themen, die bei Höller immer wieder auftauchten, so zum Beispiel der Pilz. Fliegenpilze sind für ihn genauso ein Dauerthema wie Rauschzustände. Soma ist ein wichtiger Punkt in seiner Werkgenese. Denn mit dieser großenRauminstallation vollzieht er die Zusammenführung von Gedankensträngen, mit denen er sich schon lange beschäftigt hat.«
    Wie erfährt der Besucher von diesen Anliegen? Spürt er sie? Sieht er sie? »Es war zum Beispiel Höllers Anliegen, dass man in seiner Ausstellung übernachten kann. Auch das ist Teil seiner künstlerischen Arbeit, denn es interessiert ihn, wie wir unser Wahrnehmungsrepertoire, auch – aber nicht nur – im Umgang mit Kunst, erweitern können. Diese Erweiterungen sind zuweilen simpel, indem er uns beispielsweise mit seinen Rutschen eine ungewohnte Bewegung ermöglicht. Oder eben einen ungewöhnlichen Ort zum Schlafen bietet. Uns hat interessiert, wie er verschiedene Themen seines künstlerischen Schaffens in einem buchstäblichen Tableau vivant zusammenführt. Es ist nicht so, dass wir etwas Festes, bis ins letzte Abschätzbares eingekauft haben. Hier hat der Künstler eher eine Carte blanche bekommen und dann hat das Museum gemeinsam mit ihm an der Realisierung gearbeitet.«
    Kunst in einem anderen Bewusstseinsmodus zu erfahren, diese Idee gab es schon einmal vor mehr als zweihundert Jahren. Der Journalist Niklas Maak zitiert diese Idee in seiner Kritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von »Soma«: »Die Kunsthistorikerin Charlotte Klonk hat soeben eine brillante Studie zur Geschichte des Museumsraums veröffentlicht, in der sie aufzeigt, dass das Museum mitnichten schon immer ein sakralisierter Ort war, in dem man nur gedämpft sprechen und mit ehrfürchtigem Blick zu den Objekten der Verehrung schreiten durfte. Das Museum des frühen neunzehnten Jahrhunderts war ein Ort, an dem die Leute Picknick machten, diskutierten und sogar Tiere mitbrachten. Es war kein Tempel, sondern eine hitzige,chaotische, überbordende, intensive Erfahrungslandschaft inmitten der Stadt. Vielleicht ist das, und nicht das Rezept für Soma, die eigentliche Mission dieser Schau: Das Museum für andere Erlebnisse zu öffnen, es zu einer Möglichkeitserforschungsanlage, zu einem anderen Ort zu machen, als es ist.«
Ein Museum ist ein Zoo ist ein Zoo ist ein Museum
    Niklas Maak schreibt allerdings nicht, dass diese Mission nicht erfüllt wurde. Dass die Besucher sich eher gehemmt als losgelöst, weiterhin anständig und leicht verwirrt lächelnd, an den Rentiergehegen entlanggehangelt haben. Deshalb zurück zu Dorothée Brill und der Frage, »Wie nähert sich der Betrachter diesem Kunstwerk?« Natürlich, so Brill, gebe es den Pauschalbetrachter nicht. Jeder Betrachter nähere sich mit einem anderen Vorwissen, einem anderen Interesse und einer anderen Erwartung: »Als Museum versucht man, Hilfestellungen zu geben, durch begleitende Texte, durch Vermittlungsangebote, durch eine Publikation, durch Führungsangebote.« Hilfestellung für
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