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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Autoren: Bastei Lübbe
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Hygienevorschriften, die Gott seinem Volk Israel auferlegt, und die sich absurder anhören, als eine EU-Verordnung je sein könnte. Zum Beispiel: »Wenn an einem Kleid oder Gewebe aus Wolle oder Leinen oder an gegerbten Fellen oder an Gegenständen aus Leder ein Fleck auftritt und dieser Fleck gelblich grün oder rötlich ist, dann kann es sich um fressenden Schimmel handeln, und das Stück muss dem Priester gezeigt werden. Der Priester sieht es sich an und schließt es sieben Tage ein. Hat sich der Fleck vergrößert, ist es tatsächlich fressender Schimmel. Der Priester erklärt das Stück für unrein, und es muss verbrannt werden.« (2. Buch Mose 13,47–52).
    Wer heute versuchte, getreu der biblischen Regeln zu leben – von einem solchen Versuch erzählt der New Yorker Journalist A. J. Jacobs in seinem unterhaltsamen Buch »Die Bibel & ich« –, der käme alsbald mit dem Strafrecht in Berührung, schon allein, weil er eine Menge Leute steinigen oder sonstwie hinrichten müsste. Christen mögen nun zu Recht auf zweierlei Sachen hinweisen: Erstens habe Jesus einen neuen Bund gestiftet und damit einen Teil der Gebote des Alten Testaments zugunsten der Menschlichkeit aufgehoben. Und zweitens nähmen moderne Gläubige die Heilige Schrift heute nicht mehr wörtlich. Man müsse sie interpretieren, ihren Sinn zu erkunden versuchen. Und man müsse anerkennen, dass sie an die Zeit und die Umstände ihrer Entstehung gebunden sei.
    Den Atheisten spielt dieses Zugeständnis jedoch geradezu in die Hände. Heißt das für sie doch nichts anderes, als dass die Gläubigen – welcher Religion auch immer – aus ihrenHeiligen Schriften genau jene Stellen heraussuchen, die ohnehin ihren schon vorhandenen ethischen Überzeugungen entsprechen. Und was nicht passt, wird passend interpretiert. Die Schlussfolgerung der Atheisten lautet deshalb: Gläubige sind keine besseren Menschen, die aufgrund ihres Glaubens ethischer handeln würden. Oder andersherum: Auch Atheisten können ethisch handeln. Sozialwissenschaftliche Experimente, wie das im Kapitel Philosophie beschriebene »Dicker-Mann-Dilemma« stützen diese These, denn hierbei entschieden Gläubige nicht anders als Ungläubige.
    Das ist keine geringe Erkenntnis, zumal Gläubige gern behaupten, ohne Gottesglauben würde es in der Welt ethisch drunter und drüber gehen. Der Theologe und Beststellerautor Manfred Lütz (*1954) sei hier stellvertretend für viele zitiert, wenn er den Philosophen Immanuel Kant folgendermaßen (über-)interpretiert: »Nur durch die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele also ist Moralität vernünftig.« Als Beleg dafür wird oft angeführt, dass Hitler, Stalin und Mao Atheisten gewesen seien. »Alle drei sind in einer Welt ohne Gott gescheitert«, schreibt Lütz. Dabei scheint er zu vergessen, dass wiederum der spanische Diktator Franco und der chilenische Despot Pinochet Katholiken waren und der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeni ein muslimischer Schiit war. Ganz zu schweigen von einigen ziemlich mordlüsternen Päpsten.
    Fazit: Der Glaube an Gott macht also nicht unbedingt moralischer. Wir brauchen, um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, keinen Gott, um glücklich zu sein oder bessere Menschen zu werden. Offensichtlich macht der Glaube an Gott – unabhängig von seiner nicht beweisbaren oder widerlegbaren Existenz – zwar viele Menschen glücklich, egal welcher Religion sie angehören. Der Glaube ist aber andererseits nichts, was dem Ungläubigen zu seinem Glück fehlen würde.Denn den Glauben kann man nicht einfach an- und ausstellen. Glauben oder nicht glauben – das geschieht tief drin, in der Seele des einzelnen Menschen. Und darum ist es auch kein Thema für ein Tischgespräch.
    Drei interessante Bücher zum Weiterlesen
      1.  Die Bibel , aber auch den Koran und die heiligen Schriften der anderen Religionen sollte man lesen. Denn selbst wenn man nicht glaubt, ist es interessant zu wissen, was darin geschrieben steht.
      2.  »Der Gotteswahn« von Richard Dawkins (*1941). Der Autor ist ein radikaler Vertreter des Atheismus, der furios schreiben kann, aber in seinem Feuereifer zu Übertreibungen neigt.
      3.  »Gott. Eine kleine Geschichte des Größten« von Manfred Lütz (*1954). Eine amüsant zu lesende Gegenposition zu Dawkins, die im zweiten Teil leider schwächer wird. Das ist dummerweise gerade jener Teil, der theologisch überzeugen will.
    Sieben wichtige Theologen und ihre
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