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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann
Autoren: Elke Schwab
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mitgebracht, die nun die Nachfolge von Ihrem verstorbenen Kollegen Hübner übernehmen wird. Sie heißt Claudia Fanroth und ist eine gebürtige Saarländerin, was mir Anlass dazu gab, sie mitzunehmen. Auf meinen Wunsch hin hat Kollegin Fanroth Ihr ehemaliges Büro bezogen. Sie werden ab sofort in Hübners ehemaligem Büro arbeiten.«
    Anke verbarg ihre Enttäuschung. Sie spürte in diesen wenigen Sätzen deutlich, dass sie ihren Status als rechte Hand des Chefs verloren hatte und nun zum Mittelfeld gehörte. So etwas hatte sie geahnt. Mit Kullmanns Weggang konnte es nur bergab gehen. Außerdem hatte sie nicht das Bedürfnis, mit diesem unnahbaren Mann enger zusammenzuarbeiten. Da war ihr die Distanz lieber.
    »Sie werden Claudia Fanroth heute auch noch kennen lernen«, fügte er an. »Außerdem wird Hauptkommissar Kullmann a.D. heute seinen Abschied geben. Er hat auf Sie gewartet!«
    Ohne eine Reaktion zu zeigen, wartete Anke nur darauf, dass Forseti sie endlich entließ. Sie wollte sich zurückziehen und sich erst einmal mit dieser neuen Situation beschäftigen. Zu viel ging ihr durch den Kopf, so dass sie einfach eine Weile ihre Ruhe brauchte.
    »Sie können jetzt gehen«, sagte er endlich den Satz, auf den Anke gewartet hatte.
    Im Flur fühlte sie sich plötzlich wie ein Mädchen von zwölf Jahren, das sich mit einem Knicks artig bedankte und brav darauf wartete, dass man ihr das Fortgehen erlaubte. Ihr Selbstbewusstsein stand gerade vor einer schweren Probe, auf die sie nicht vorbereitet war. Nun musste sie stark sein. Sie nahm sich fest vor, ihrem neuen Chef auf keinen Fall zu zeigen, was in ihr vorging. Zum Glück hatte sie Kullmann in der Hinterhand. Mit diesem Wissen fühlte sie sich gewappnet für die Zukunft. Eilig betrat sie Hübners ehemaliges Büro, mit dem Vorsatz, sich nicht unterbuttern zu lassen. Aber als sie sah, dass dort ihre Möbel schon eingeräumt waren, fühlte sie sich überrannt. Ihr gerade erst gefasster Entschluss geriet ins Wanken.
    Mutlos setzte sie sich an den Schreibtisch und heulte wie ein kleines Kind. Sie legte ihren Kopf auf die verschränkten Arme und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie lange sie so dort saß, merkte sie nicht. Ihr war alles egal. Plötzlich ging die Tür auf und sie erschrak, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre. Zu ihrer großen Erleichterung stand Kullmann mit besorgtem Gesicht vor ihr.
    »Anke! Sie dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken«, meinte er, womit er genau ins Schwarze traf. »Sie sind eine Kämpferin, vergessen Sie das nicht. Diese Situation werden Sie auch mit Bravour meistern.«
    »Oh mein Gott! Wie soll ich das ohne Sie nur schaffen? Keiner kennt mich so gut wie Sie und was noch viel schlimmer ist, keiner hat mehr ein Interesse daran, mich aufzumuntern, zu motivieren oder zu trösten. Hier bin ich zu einem Nichts degradiert, das habe ich in dem kurzen Gespräch mit dem neuen Chef sofort erkannt!«
    »Dann werden Sie ihm zeigen, was in Ihnen steckt. Und das können Sie. Er wird die Augen öffnen!«, meinte Kullmann unbeirrbar und fügte an: »So wie Sie gegen den Riesen Helmut Keller gekämpft haben, beweist das doch nur, dass Sie niemals aufgeben!«
    »Aber ich kann wohl schlecht dem neuen Chef mit meinen Fäusten kommen«, lachte Anke und wischte sich endlich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Nein, aber dafür mit Leistungen«, beharrte Kullmann.
    Da Kullmann sich noch etwas Zeit bis zu seiner Abschiedsfeier lassen wollte, bat er Anke, ihm wie in der guten alten Zeit einen Kaffee zu bereiten. Es machte Anke besondere Freude, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Er setzte sich auf die andere Seite ihres Schreibtischs und schaute dabei zu. Erst als der dampfende Kaffee in den Tassen vor ihnen stand, fragte er: »Können Sie sich überhaupt noch an Ihren Kampf gegen Helmut Keller erinnern? Sie waren lange bewusstlos, und wir waren alle in großer Sorge um Sie!«
    »Ich kann mich bis zu dem Zeitpunkt erinnern, als er mir etwas Schwarzes über den Kopf gestülpt hat. Danach war mein Widerstand gebrochen«, gestand Anke.
    Kullmann wirkte immer noch sehr betroffen, wenn er an diesen Abend dachte. Mit bedrückter Miene erzählte er: »Er hat Ihnen eine Nylontüte übergestülpt, was eigentlich Ihren Erstickungstod bedeutet hätte. Dann hat er Sie in den Heuschober gelegt und diesen angezündet. Er wollte Sie doppelt umbringen.«
    Anke erschrak.
    »In Ihrem Fall war die Nylontüte sogar noch Glück im Unglück. Der Arzt sagte, dass Sie deshalb kein
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