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Küss mich wie damals

Küss mich wie damals

Titel: Küss mich wie damals
Autoren: MARY NICHOLS
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während ein herbeigeeilter Bediensteter ihr beim Aussteigen behilflich war und anschließend Kasten und Staffelei aus der Chaise nahm, um beides ins Haus zu tragen.
    „Sehr wohl, Mylady.“ Der Kutscher fuhr zum Stall weiter. Sie begab sich in die Eingangshalle, nahm den Hut ab und übergab ihn ihrer Zofe. Dann suchte sie ihr Atelier auf, wo der Butler die Staffelei an die Wand gelehnt und den Kasten auf den Tisch gestellt hatte.
    „Vielen Dank, Creeley“, sagte Frances. „Richten Sie in der Küche aus, dass ich in einer halben Stunde essen möchte.“
    „Wie Sie wünschen, Madam.“
    Das Atelier war mit so vielen Erinnerungen verbunden, die sie manchmal unerträglich, hin und wieder jedoch recht angenehm fand. Die Malerei war ihr Lebensinhalt geworden. Auf die Einnahmen war sie nicht angewiesen, denn ihr verstorbener Mann hatte gut für sie gesorgt. Aus ihrem angeborenen Unabhängigkeitsbedürfnis hatte sie jedoch den Wunsch gehabt, sich irgendwie zu betätigen. Und außerdem hielt diese Beschäftigung sie vom Grübeln ab.
    Sie schlenderte unentschlossen durch den Raum, in dem einige ihrer frühen Werke hingen. Die meisten Bilder, die sie in den letzten siebzehn Jahren geschaffen hatte, befanden sich bei den Auftraggebern und schmückten deren Säle, Boudoirs und Speisezimmer. Schließlich zog sie das Porträt des damaligen Marquis of Risley zwischen einer Reihe an der Wand lehnender Gemälde hervor und betrachtete es. Sie hatte es gemalt, als er dreiundzwanzig Jahre alt und sie sehr in ihn verliebt gewesen war. Er besaß dunkle, fast kupferfarbene Locken, von denen eine ihm in die hohe Stirn fiel, und war in einer gelösten Pose dargestellt, durch die seine männliche Ausstrahlung besonders gut zur Wirkung kam. Das Porträt war ihm sehr ähnlich und ließ Frances’ Meinung nach durch den sinnlichen Ausdruck in den hellbraunen Augen und das etwas anzügliche Lächeln deutlich erkennen, in welcher Beziehung sie seinerzeit zu Marcus gestanden hatte.
    Plötzlich fiel ihr eines ihrer alten Skizzenbücher ein. Sie holte es, setzte sich und blätterte es durch, bis sie auf die Zeichnung stieß, die sie anlässlich einer Landpartie, kurz vor der Trennung, von ihm gemacht hatte. Er war mit offenem Hemd dargestellt, lag im Gras und hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Seine Miene war schwer zu deuten. Es konnte Zuneigung sein, die aus ihr sprach, aber Frances war nie ganz sicher gewesen, ob er sie tatsächlich von Herzen liebte.
    Sie klappte das Skizzenbuch zu, legte es auf den Tisch und verließ das Atelier. Rasch ging sie in ihr Ankleidezimmer, wo die Zofe bereits ihrer harrte, ließ sich von ihr beim Umziehen helfen und überlegte dabei, was Marcus wohl von ihr denken würde, könnte er sie jetzt sehen. Sie war nicht mehr gertenschlank, aber auch nicht rundlich, und ihr schwarzes Haar hatte den Glanz bewahrt. Die blauen Augen, von denen Marcus stets behauptet hatte, sie seien sehr ausdrucksvoll, waren das Bemerkenswerteste an ihr.
    Sobald sie zum Dinner hergerichtet war, suchte sie das Speisezimmer auf, nahm Platz und ließ sich servieren. Beim Essen sann sie über ihr bisheriges Leben nach und fand, sie könne sich nicht beklagen. Sie hatte viele Freunde, wurde oft eingeladen und empfing häufig Gäste, mit denen sie sich angeregt über die schönen Künste, Politik und wissenschaftliche Themen unterhalten konnte. Zum Glück war ihr die Gabe eigen, bei heftigen Debatten vermitteln zu können, sodass es nie zu Missstimmigkeiten kam.
    Mit siebzehn Jahren hatte sie, nachdem ihre Hoffnungen und Träume durch die Trennung von Marcus, die ihr wie Verrat an ihr vorgekommen war, ein jähes Ende fanden, geglaubt, keinen Tag länger leben zu können. Nacht für Nacht war sie in Tränen aufgelöst gewesen und hatte sich gefragt, warum er sie so schmählich hintergangen hatte. Trotz all seiner Liebesschwüre war er, nur weil sein Vater es so bestimmt hatte, die Ehe mit Margaret Connaught eingegangen. Sie hatte ihm vorgeworfen, schwach zu sein, nur mit ihr gespielt und sie mit falschen Beteuerungen getrogen zu haben, und dann wütend hinzugefügt, sie gedenke nicht, seine Mätresse zu werden, falls das seine Absicht sein sollte. Sie hasse ihn, hatte sie ihm ins Gesicht geschrien, und wolle ihn nie wieder sehen.
    Schließlich hatte er Miss Connaught geheiratet, eine gut situierte Schottin, zu deren Mitgift ein Schloss im Hochland gehörte. Frances hatte nie begriffen, warum ihm an diesem alten Gemäuer gelegen gewesen
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