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Kuess mich toedlich

Kuess mich toedlich

Titel: Kuess mich toedlich
Autoren: Ruth Adelmann
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stören. Im Grunde war es gut so, dass seine Dämonen ihn nicht auch noch bis in seine Träume verfolgten. Ihnen gehörte schon der Großteil seiner wachen Zeit. Bei dem Gedanken kam eine Welle der Kälte und Übelkeit hoch, die ihn aufjagte. Erst, als er mit dem Nachtsichtgerät sah, dass Sarah friedlich schlief, beruhigte ihn das genug, um selbst ein paar Stunden abzuschalten.
     
    Als er an diesem Morgen seine Unterkunft verließ, kroch eine Eiseskälte bis unter seine Kleidung. In dieser Stadt wurde es einfach nie richtig warm. Als hätte der Winter zusammen mit dem Herbst seine Klauen so tief in diese Gegend geschlagen, dass Frühling und Sommer ständig auf verlorenem Posten kämpften. Zumindest hatte es nicht geschneit, tröstete sich Ben. Es war Samstag, und Sarah hatte ihren freien Tag. Sie war jemand, der an seinen Gewohnheiten festhielt, was Ben schriftlich dokumentieren musste. Montag bis Freitag arbeitete sie im Buchladen. Abends las sie oder sah fern. Sie hatte sich bisher weder mit Freunden noch mit einem Mann getroffen. Während der gesamten Arbeitswoche hatte sie nur viermal telefoniert. Mit wem wusste er nicht. Am vergangenen Samstag hatte sie sich einen Film im Kino angesehen. Danach besuchte sie ein öffentliches Kunstmuseum. Die vier Kilometer bis dahin war sie zu Fuß gegangen. Sonntags hatte sie lange geschlafen. Nach dem Frühstück besuchte sie das alte und meist fast leere Schwimmbad am Rand ihres Bezirks. Mit der U-Bahn hätte sie nicht mehr als fünf Minuten zum Hallenbad gebraucht. Ben vermutete, dass sie Angst vor allzu großen Menschenmassen hatte. Als er sie im Schwimmbad beobachtete, war ihm zum ersten Mal aufgefallen, wie zierlich und fragil ihr Körper gebaut war. Sie war recht groß, doch aufgrund ihres schlanken Körperbaus und der blassen Haut wirkte sie klein und verletzlich.
    Sie war an diesem Tag nicht ins Schwimmbad gegangen, um sich im Sportbecken zu verausgaben. Sarah war in das kleinere Becken eingetaucht, um sich auf dem Rücken liegend treiben zu lassen. Ben kam sich etwas schäbig vor, ihr in diesem intimen Moment zuzusehen. Offenbar wollte sie allein sein. Es kam ihm ohnehin so vor, als würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um für sich zu bleiben. Diese Frau schien keinen einzigen Freund auf der Welt zu haben, was er nicht verstehen konnte. Na gut, Ben hatte auch keine Freunde, aber bei ihm gab es gute Gründe dafür. Es war ihm nicht möglich, so etwas wie Freundschaften zu haben. Wieso Sarah es vorzog, völlig isoliert zu bleiben, konnte er sich nicht erklären. Auf ihn, und er war sehr gut darin, abweichende Verhaltensweisen zu beurteilen, wirkte Sarah wie eine normale, junge Frau, die keinen offensichtlichen Grund hatte, sich derart vor der Welt zu verstecken.
    Wenn man sie ansah, war man überzeugt, dass sie sich vor Verehrern kaum retten konnte und sie so gut wie jeden Mann haben könnte, den sie wollte. Soweit er imstande war, das zu beurteilen, war sie auch freundlich und intelligent und wäre auch für jeden anderen jemand, den man gern zum Freund haben mochte. Doch etwas brachte sie dazu, sich vor allem zurückzuziehen. Doch er machte sich etwas vor, weil es um sie ging. Jeder Mensch, der derart zurückgezogen seine Tage verbrachte, hatte seine Gründe dafür.
    War sie vielleicht doch nicht so unschuldig, wie sie auf den ersten Blick wirkte? Immerhin hatte man ihn geschickt, um sie auszuspionieren. Aber Ben hatte es schon erlebt, dass seine Zielobjekte völlig grundlos ins Fadenkreuz seiner Auftraggeber geraten waren. Er musste sehr umsichtig vorgehen und wollte sie nicht verdächtigen, bevor sie tatsächlich überführt war. Momentan quälte ihn aber noch ein weiterer Gedanke. Er fragte sich, ob sie ihn genauso abweisen würde, wie sie es bei jedem anderen tat. Immer wieder ermahnte er sich, wie lächerlich dieser Gedanke doch war.
    Wie in der vergangenen Woche besuchte Sarah auch heute das Museum. Als hätte sie es besonders eilig, flitzte sie die Marmortreppe nach oben, die zum Eingang führte. Der Wachmann winkte sie vorbei, ohne sie zu kontrollieren. Und schon war Sarah aus Bens Blickfeld verschwunden.
    »Verzeihung. Könnte es sein, dass ich diese junge Dame letzte Woche hier gesehen habe ?« , fragte er den Wachmann, der ihn verblüfft ansah und die Stirn runzelte.
    »Sie meinen die Rothaarige? Kann schon sein .« Er sah Ben misstrauisch an. »Warum wollen Sie das wissen ?«
    »Ich war neulich mit einem Bekannten hier und glaube, eine Dame
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