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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Autoren: Karlheinz Descher
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Römer und die Erhebung des Johannes Philagathos, des einstigen Freundes der Theophanu, zum Gegenpapst, veranlaßte Otto, zum zweitenmal über die Alpen zu gehn, während in Deutschland für ihn seine Tante Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, regierte.
    Der Kaiser erschien Mitte Februar 998 vor Rom. Wie stets war auch jetzt eine Anzahl Prälaten in seinem Heer. So Bischof Notger von Lüttich, ein alter Kämpfer, der mindestens viermal für die Ottonen nach Italien zog, aber auch in nächster Nähe von Lüttich die schwer zu erobernde Burg Chèvremont 987 für immer zerstörte. Der Straßburger Bischof Wilderod zog mit, ebenso eine Reihe oberitalienischer Seelenhirten mit ihren Gewalthaufen. Unter den Äbten sogar Odilo von Cluny, ein echter Heiliger (Fest 2. Januar), der ungeachtet aller Heiligkeit auch viele Jahre mit dem Bischof von Mâcon stritt.
    Gegenpapst Johann XVI., der zehn Monate amtiert hatte, versuchte vergebens sich in einem befestigten Turm zu verstecken. Durch eine Schar des Grafen vom Breisgau Birichtilo (Berthold), des Ahnherrns der Zähringer und Gründers des Klosters Sulzburg, wurde er aufgespürt, gefaßt und angeblich mit Billigung Gregors V. wie Ottos III., seines einstigen Schülers, entsetzlich zugerichtet – der Breisgaugraf aber bald (wenn nicht, wie wahrscheinlich, deshalb, so zumindest trotzdem) ungewöhnlich geehrt und beschenkt. So durfte er schon ein Jahr darauf als Vertreter des Kaisers dessen Schwester Adelheid mit einem goldenen, von Rom nach Quedlinburg gebrachten Abtsstab dort als Äbtissin investieren. Und zur gleichen Zeit erhielt der gräfliche Foltermeister ein Markt-, Münz- und Zollprivileg für Villingen im Schwarzwald, um seinen Marktort den Märkten von Konstanz und Zürich gleichwertig zu machen. Ergo: »Seine Tat hat ihn nicht in Ungnade fallen lassen, sondern ihm die kaiserliche Huld in höchstem Ausmaß beschert ... Beide ›Ehrungen‹ deuten stark darauf hin, daß sich Birichtilo den Dank des Kaisers in besonderer Weise verdient hatte ...« (Althoff).
    Und was hatte der edle Breisgaugraf vollbracht? Er hatte den gefangenen Gegenpapst erbärmlich martern, seine Hände verstümmeln, seine Augen ausreißen, ihm Nase, Lippen, Zunge, Ohren abschneiden lassen. Die Quedlinburger Annalen betonen zwar, die Täter seien nicht Freunde des Kaisers, sondern »Freunde Christi« gewesen. Doch wie auch immer, man stellte den durch die kaiserliche Soldateska Geschundenen jetzt auch noch vor das Gericht des Papstes, der ihn darauf förmlich abgesetzt und nach dem in der Kirche Christi gebräuchlichen Ritual der Devestitur behandelt hat. Gregor, ein reformbewußter, nicht ungebildeter Papst, dessen Grabschrift seine Fähigkeit rühmt, lateinisch, französisch, deutsch predigen zu könnnen, ließ nun den geblendeten, fast tauben und sprachunfähigen Johann XVI. in der Kirche nochmals in päpstliche Gewänder hüllen und sie ihm Stück für Stück abreißen.
    Inzwischen war ein Landsmann des elenden Opfers, der hl. Nilus, ein in ganz Italien bewunderter 88jähriger Greis herbeigeeilt. Kaiser und Papst holten ihn voller Ehrfurcht in den Lateran, küßten ihm die Hände und ließen ihn Platz zwischen sich nehmen. Doch äußerte er nur den einen Wunsch, den armen Philagathos, der sie doch beide aus der Taufe gehoben und jetzt von ihnen verstümmelt, der Augen beraubt worden sei, in sein Kloster bringen zu dürfen zur gemeinsamen Beweinung der begangenen Sünden. Der Kaiser, dem angeblich die Tränen kamen, war zum Nachgeben bereit. Aber der Papst wollte seine Rache ganz genießen. Er ließ den Blinden statt mit päpstlichem Kopfputz mit einem Euter krönen, aus der Kirche stoßen und, verkehrt auf einem Esel sitzend, dessen Schwanz als Zügel in der Hand – ein makabres Plagiat (vgl. S. 510) – durch Rom in einen Klosterkerker reiten, wo er noch jahrelang vegetiert haben soll. Otto hat, falls die Nachricht zutrifft, durch einen hohen Geistlichen bei Nilus sich entschuldigt, der jedoch erwidert, Kaiser und Papst hätten ihm, ja Gott selber angetan, was sie an dem unglücklichen Philagathos verbrochen, und Gott werde ihnen so wenig verzeihen, wie sie Philagathos verziehen. Und verließ Rom am selben Tag. 11
    Der Rebell Crescentius aber war in die Engelsburg geflohen. Sie galt als uneinnehmbar, wurde zwei Monate belagert, unablässig, so heißt es, Tag und Nacht angegriffen und am 28. April, durch den Markgrafen Ekkehard von Meißen im Sturm genommen. (Der Kaiser belohnte den auch im
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