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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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kräftig in die Arme, worauf dieser lachen musste, und schlug
ihm im weiteren Gespräch mehrfach auf den Rücken. Auch Ofterdingens Gefährten
waren mittlerweile aus dem Sattel gestiegen. Nicht wenige der Burgbewohner
schlugen ein Kreuz, als sie den Turban und die dunkle Haut sahen, und die Augen
nieder, sobald der Morgenländer ihren Blick erwiderte. Der Esel des zweiten
Begleiters brüllte, dass es über den Hof hallte.
    »Alle Wetter, jetzt wird es lustig«, sagte Dietrich und rieb sich die
Hände warm.
    Das Bankett wurde im Festsaal abgehalten, im obersten Geschoss
des Palas. Hermann hatte die dunklen Balken weihnachtlich mit immergrünen
Tannenreisern schmücken lassen, sodass man sich in einem Wald hätte wähnen
können – wären da nicht die Feuer in den drei Kaminen gewesen, die selbst
diesen größten aller Räume der Burg mit wohliger Wärme füllten. Riesige
Bildteppiche an den Wänden hielten die Wärme im Raum. Dutzende Kerzen aus
Bienenwachs erhellten ihn. Die Tafel hatte die Form eines Hufeisens; die Stühle
an der Stirnseite waren der landgräflichen Familie und dem Burgkaplan bestimmt,
rechter Hand saßen auf Schemeln und Bänken die Sänger und ihr Gefolge, linker
Hand die Ritterschaft samt Knappen und Sophias wichtigste Damen. Noch
festlicher und fröhlicher wurde die Tafelei durch die Anwesenheit von Hermanns
ältesten Kindern Irmgard, Ludwig und Hermann.
    War Heinrich von Ofterdingen als Letzter auf der Burg eingetroffen,
so war er jetzt der Erste beim Festmahl. Er lächelte Walther und Wolfram offen
ins Gesicht, als diese den Saal betraten, verzichtete aber darauf, sie grüßend
anzusprechen oder ihnen gar einen Händedruck aufzudrängen. Der Schreiber und
Reinmar nahmen wohlweislich rechts und links von ihm Platz, um zu verhindern,
dass Streit zwischen Ofterdingen und den anderen beiden entbrannte. Klara saß
unter den Sängern, zwischen ihrem Meister und Biterolf.
    Zahllose Diener der Burg waren zur Unterstützung des Küchengesindes
abgestellt worden, allein um mit Speisen und Schoppen beladen die vielen
Treppen von der Küche ins dritte Stockwerk des Palas zu bewältigen. Nachdem die
Hände aller Gäste gewaschen und die Wasserschüsseln wieder hinausgetragen waren,
wurde aufgetischt: Hühner in Mandelmilch, eingelegter Aal, fettes Schwein,
Wildpasteten, getrocknete Pilze und gebackene Äpfel, dazu Brot und Linsensuppe,
Brombeerwein und Wein mit Honig, Zimt und Pfeffer.
    »Sie hat schöne volle Brüste, nicht wahr?«, sagte irgendwann Klara,
der nicht entgangen war, dass Biterolfs Blicke stets an derselben Magd hingen,
sobald diese mit neuen Speisen den Festsaal betrat oder den Rittern auf der
gegenüberliegenden Seite Wein nachschenkte.
    »Ich habe ihr auch schon den ganzen Abend daraufstarren müssen«,
fügte Klara hinzu, weil Biterolf, anstatt zu antworten, sich lediglich an
seinem Wein verschluckt hatte. »Was gäbe ich dafür. Nicht solche Euter wie die
fetten Weiber aus der Küche, aber auch nicht diese platten Küchlein, die im
Ofen nicht richtig aufgegangen sind, mit denen ich geschlagen bin.« Sie sah an
sich herab und zog mit beiden Händen ihr Gewand über der Brust flach, um ihr
Urteil zu unterstreichen.
    Biterolf fehlten nun vollends die Worte.
    »Habt Ihr eine Frau, Herr Biterolf? Bei Euch daheim im Stilletal?
Oder kann ich Du zu Euch sagen, obwohl es mir
eigentlich nicht zusteht? Aber ich habe gehört, wie der vorlaute Bursche des
Kanzlers Euch duzt, und er ist kaum älter als ich.«
    »Gerne.«
    »Danke. Also?«
    »Also was?«
    »Bist du beweibt?«
    »Noch nicht.«
    Klara nickte und schwieg. Die Magd, über die sie gesprochen hatten,
brachte abermals Wein herein. »Sie hat bis vor Kurzem dem kleinen Heinrich
Raspe Milch gegeben, weil sie zur gleichen Zeit niederkam wie die Landgräfin.
Ja, solch vollkommenen Brüste dürfen auch den Sohn eines Fürsten säugen«,
erklärte Klara und warf einem bettelnden Hund ihren Hühnerknochen zu. »Ich bin
übrigens auch noch niemandem versprochen. Kochen kann ich freilich nicht. Ich
kann keine Gänse rupfen und keine Kühe melken. Alles, was ich kann, ist Blinde
führen, weil ich das mache, seit ich ein kleines Mädchen bin.«
    Hermann von Thüringen wartete, bis seine Diener zum Nachtisch
Schalen mit getrockneten Datteln und Weintrauben angereicht hatten, und erhob
sich dann. Alle Gespräche verstummten. Einmal mehr hieß Hermann seine Gäste
willkommen, einmal mehr verkündete er das unbedingte und unbefristete Gastrecht
und das
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