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Krieg der Ordnung

Titel: Krieg der Ordnung
Autoren: L. E. Modesitt
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Wieder war ein treuer Mitstreiter gestorben.
    Eine neue Yonada, eine weitere Dyessa, ein neuer Clerve, eine weitere Krytella, eine weitere Eiserne Gardistin. Kann ich wirklich nichts anderes als Leichen um mich anhäufen?
    Er holte tief Luft und schleppte sich weiter zu einem Haufen dunkler Steine, der unter der weißen Decke aus Schnee und Hagelkörnern kaum noch auszumachen war. Er hatte Angst vor dem, was er dort finden könnte; nach der Misshandlung der Natur waren seine Ordnungs-Sinne blockiert und er konnte nicht spüren, ob sein Bruder noch lebte.
    Gunnar lag am Hügel, halb innerhalb und halb außerhalb des Walls aus Felsen und Panzerplatten. Justen stolperte zur reglos liegenden Gestalt und atmete erleichtert auf, als er den Brustkorb seines Bruders sich heben und senken sah. Einen Augenblick blieb er, immer noch mit flatterndem Atem, stehen.
    Dunkle Wolken, dunkler, als Justen sie je gesehen hatte, zogen über den Himmel. Blitze zuckten ins zerfurchte Tal hinunter, wo einst das mächtige Fairhaven gestanden hatte.
    Obwohl der Schnee jetzt dichter fiel, konnte Justen erkennen, dass der Weiße Turm geschmolzen war wie eine Kerze in der Mittagssonne. Kein einziges Gebäude stand mehr, wo vorher die Weiße Stadt gewesen war. Weiße Linien strahlten von der Stelle aus, an der er sich jetzt befand. Hier hatte das Licht-Schwert die ganze Vegetation versengt und das Erdreich bis auf den nackten weißen Fels weggebrannt.
    Zwischen den Strahlen dieser zweiten Sonne lag nur Asche. Asche und Brocken von geschmolzenem Stein, einige weiß, einige braun, die meisten geschwärzt, als hätten sie sich mit dunkler Asche vermischt, bevor sie wieder geronnen waren.
    Die Schneeflocken, die rings um Justen fielen, waren grau, die Mischung aus Asche und Schnee und Hagel war grau, seine Seele war grau.
    Er blickte zu Gunnar hinab, dessen Brustkorb sich regelmäßig hob und senkte. Dann begann er den mühsamen Rückweg zum Dämon, der am Rand der glasigen Fläche stand, die einst eine Weide auf einem Hügel gewesen war. Gunnar und er brauchten jetzt Essen, Decken und Ruhe.
    Und wenn jemand sie fand, dann sollte es eben so sein.
    Ein lautes Krachen ertönte und eine gezackte weiße Linie fuhr aus den dunklen Wolken herunter, verästelte sich und zuckte über den geschmolzenen Stein und die Trümmer, die einst die Weiße Stadt gewesen waren. Der Blitz über der Schneedecke erinnerte Justen daran, wie unwahrscheinlich es war, dass irgendjemand in der nächsten Zeit nach ihnen suchen würde.
    Er lachte rau. Als ob es außer ihm und Gunnar noch andere Überlebende gegeben hätte. Höchstens ein paar Dutzend Weiße Magier lebten noch unter dem Schlachthaus, das einst eine stolze Stadt gewesen war, wenngleich hinter dem Riegel aus Ordnung und Chaos eingesperrt.
    Justen machte einen Schritt … ruhte aus … machte einen Schritt … ruhte aus. Aber er blieb in Bewegung. Gunnar brauchte Wärme. Er sah nicht mehr zu dem verkohlten Haufen, der früher einmal auf den Namen Martan gehört hatte. Er sah nicht zum verkohlten und geschmolzenen Flecken, der einst das Juwel Candars gewesen war.
    Er setzte einen Fuß vor den anderen, einen Fuß vor den anderen.
    Gunnar … Dayala …
    Gunnar … Dayala …
    Justen ging weiter … und weiter …

 
CLII
     
    D ie vier Druiden standen vor der Ehrwürdigen und betrachteten den brodelnden, rieselnden Sand, der die Veränderungen der Küstenlinien nachzeichnete.
    Die jüngste Druidin weinte still, durchgeschüttelt von stummem Schluchzen. Eine andere nahm sie in die Arme, während der Sand sich weiter veränderte und verlagerte, bis die Sandtafel das neue Gleichgewicht in Candar und Recluce zeigte.
    »Fairhaven existiert nicht mehr«, verkündete die Ehrwürdige. »Die zweite Sonne der Engel wurde entfesselt.«
    »Aber … um welchen Preis?«, fragte Syodra.
    »Es gibt immer einen Preis zu entrichten. Seit Generationen hat niemand mehr einen Preis bezahlt und ein später bezahlter Preis ist ein höherer Preis. Die meisten Türme im Osten Candars sind umgestürzt. Flüsse haben ihren Lauf geändert. Die Stadt der Ingenieure ist zur Hälfte im Ostmeer versunken.«
    »Und die Dampf-Chaos-Maschinen arbeiten nicht mehr«, fügte Frysa hinzu.
    »Sie wollten nicht auf die Lieder hören«, ergänzte der einzige Mann in der Runde. »Und nicht auf die Seelen.«
    »Es wird lange dauern, bis der Vorrat an Ordnung den früheren Stand wieder erreicht – falls die Schwarzen sich überhaupt entscheiden, abermals
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