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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein
Autoren: Ulrich Schreiber
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gestorben. Der zweite ist knapp einem Anschlag entgangen.«
    Sie warf Henno einen Blick zu.
    »Wir müssen sofort herausfinden, wer der Dritte war«, rief sie und lief auf die Fahrzeuge zu, bei denen sich Weidinger und Baumann aufhielten.
    Baumann hatte alle verfügbaren Männer in den Dom geschickt, um ihn nach Sprengstoff absuchen zu lassen. Der Kardinal war erst vor knapp einem Jahr nach Köln berufen worden, es war seine erste Weihnachtsmesse. Gleich nachdem deutlich wurde, dass der Dom so gut wie unversehrt geblieben war, hatte er verkündet, die Mitternachtsmette ordnungsgemäß zu Ende führen zu wollen. Der Protest des Staatsanwalts, Baumanns und selbst des Innenministers nützten nichts. Deshalb wurden nun unter Hochdruck die Türme, die Dachkomplexe des Lang- und Querhauses und die Wendeltreppen samt Triforium abgesucht. Schnell wurde deutlich, dass sich an jeder der engen Wendeltreppen eine Sprengfalle befand, die aber leicht entschärft werden konnte.
    »Was ist mit den Hunden?«, brüllte der Einsatzleiter des SEK, ein Hüne von mindestens zwei Meter Körpergröße, über den Platz, als er zwei Hundeführer mit ihren Sprengstoffspürhunden aus dem Seitenzugang kommen sah.
    »Hat keinen Zweck, die haben sich die Nasen verätzt! Vermutlich hochkonzentriertes Ammoniak.«
    »Wie das denn?« Die drei gingen schnell aufeinander zu.
    »Die Suchmannschaft hat auf den Treppen kleine Glaskapseln zertreten, aus denen das Scheißzeug ausgeströmt ist«, erklärte der erste der beiden nicht sonderlich großen, aber kräftig gebauten Polizisten. »Sie haben bloß ein bisschen daran geschnüffelt, und jetzt sind ihre Nasen komplett lahmgelegt. Die können wir die nächste Zeit vergessen.«
    »Das darf doch nicht wahr sein! Unsere Leute hätten die Kapseln doch sehen müssen!« Der Einsatzleiter pumpte sich auf, als wolle er die Hundeführer in der Luft zerreißen.
    »Die wären auch Ihnen nicht aufgefallen. Die Dinger waren als Zigarettenkippen getarnt, und die Dombauarbeiter rauchen nun mal, sodass es nichts Auffälliges war, dass Kippen auf der Treppe lagen.«
    Einen kurzen Moment lang war der Einsatzleiter sprachlos, was bei ihm nur äußerst selten vorkam. Als er sich wieder im Griff hatte, instruierte er seine Mannschaft über Funk, noch gründlicher nach größeren Päckchen zu suchen. Eine Sprengladung, die wesentliche Schäden am Dom hervorrufen sollte, müsste eigentlich gut sichtbar und auch ohne Sprengstoffspürhunde zu finden sein.
    Der Dom ist mit seinem Langhaus und seinem Querhaus wie ein großes Kreuz aufgebaut, gut sichtbar aus der Luft, als hätten die Erbauer bereits an Flugzeuge, Satelliten und Google Earth gedacht. Die Statik des monumentalen Bauwerks ist für jeden Fachmann beeindruckend, nur aus Erfahrung der Dombaumeister entwickelt, heute selbst mit modernsten Computerprogrammen nicht annähernd nachvollziehbar. Zu viele Unbekannte in einem zu komplexen Gebäude. Dort wo sich die vier Flügel treffen, sitzt auf dem Dach ein Turm aus Stahlständern mit einer kleinen Aussichtsplattform, der Dachreiter. Unter dem Turm und geschützt von einem steilen Dach aus Stahlträgern und Bleischindeln treffen sich die Spannungsbögen des wichtigsten Gewölbes, in dem alle Druck- und Zugkräfte aus den gewaltigen Steinmassen zusammenlaufen. Der Viererstein ist der letzte Verschluss, in dem sich normalerweise alle Spannungstrajektorien treffen. Einem Ring als Fassung des Vierersteins wurde diese Aufgabe zuteil, mit der genialen Lösung, dass der Schlussstein herausgenommen werden kann und den Blick von oben genau auf die Vierungskanzel im Kreuzungspunkt der Kirchenflügel freigibt. Überlagert wird dieser wichtige Punkt von einem großen Stahlreifen, von dem aus Verstrebungen zu den Stahlständern des Dachreiters gehen, damit die Beine nicht nach außen weggedrückt werden. Schlussstein und Reifen sind wiederum mit einer fast zehn Zentimeter dicken Stahlscheibe abgedeckt. Sie hängt an einem Drahtseil und kann mit Hilfe eines kleinen Krans hochgezogen werden.
    Als Gabriele Kronberg Baumann darüber informiert hatte, dass es noch einen dritten Geistlichen geben musste, rief er sofort im Präsidium an und schickte einen Kollegen an seinen Schreibtisch. Er dirigierte ihn durch die Papiere, bis er die Liste des Dompropstes gefunden hatte.
    »Lesen Sie vor!«
    Schnell überflog der Kollege die erste Seite. Nach den Ministranten kamen die Diakone des betreffenden Zeitraums, die er langsam und betont
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