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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens
Autoren: Patricia Cornwell
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selbst - die Richtlinien verließen und ihr eigenes Ding machten, das Ganze in einer Katastrophe endete. Die Kriminalitätsraten stiegen, die Aufklärungsquote sank. Niemand kam mehr zurecht. Die Bürger, die durch Polizeigewalt geschützt werden sollten, verrammelten ihre Türen, entsicherten ihre Waffen, kümmerten sich nicht mehr um ihre Nachbarn, zeigten Polizisten den Finger und machten sie für alles verantwortlich. Hammers Vorbild für Aufklärung und Wandel war das New Yorker Modell für polizeiliche Verbrechensaufklärung, das als COMSTAT computergestützte Statistik - bekannt geworden war.
    Diese Abkürzung bezeichnete ein Konzept, das sehr viel komplexer war, als die technische Ermittlung von Kriminalitätsmustern und Verbrechensschwerpunkten einer Stadt. COMSTAT legte Zuständigkeit und Verantwortlichkeit in die Hände eines jeden einzelnen Polizisten. Damit konnte kein kleiner Beamter oder sein Vorgesetzter sich mehr drücken, wegschauen, die Schultern zucken, auch nicht wissen, sagen, da wär nichts zu machen oder er würde sich noch drum kümmern. Ausreden wie hat mir niemand gesagt, hab ich vergessen, wollte ja, fühlte mich nicht wohl, war am Telefon oder hatte gerade frei, gab es nicht mehr, denn jeden Montag und jeden Freitag rief Chief Judy Hammer alle Verantwortlichen zusammen und machte ihnen die Hölle heiß.
    Zwar kam Hammers Schlachtplan eindeutig aus dem Norden, doch wie es das Schicksal so wollte, war, als sie dem Stadtrat von Richmond ihre Vorschläge unterbreitete, dieser gerade von inneren Machtkämpfen, Arbeitsverweigerung und Amtsmissbrauch lahm gelegt. Und so schien es seinerzeit nicht die schlechteste Idee, jemand von außerhalb die Probleme der Stadt lösen zu lassen. So kam es, dass man Hammer einen Vertrag als Interimschefin für die Dauer eines Jahres gab und ihr erlaubte, zwei hochbegabte Kräfte mitzubringen, mit denen sie in Charlotte zusammengearbeitet hatte. Hammer nahm ihren Feldzug in Richmond auf. Bald schon stieß sie auf Sturheit, kurz darauf begegnete ihr blanker Hass. Die Stadtoberhäupter wollten, dass Hammer und ihr Team vom NIJ wieder verschwanden. Es gab nicht das Geringste, das die Stadt von New York lernen wollte, und die Richmonder sollten verdammt sein, wenn sie auch nur den kleinsten Rat aus dem verräterischen, verlogenen Charlotte annehmen würden. Gerade Charlotte, das ständig bemüht war, ihnen den Bankhandelsplatz streitig zu machen, und versuchte, die fünfhundert erfolgreichsten Firmen abzuwerben.
    Mit verzerrtem Gesicht und Wutausbrüchen verlieh die VizePolizeichefin, Deputy Chief Virginia West, ihrem Ärger Ausdruck, während sie um den Park der Universität von Richmond joggte. Die Schieferdächer der hübschen neogotischen Collegegebäude begannen sich aus dem Dunkel zu lösen, langsam ging die Sonne auf. Studenten waren noch keine zu sehen, nur zwei junge Frauen übten sich bereits im Sprint. »Ich kann nicht mehr«, keuchte West zu Officer Andy Brazil.
    Brazil schaute auf seine Uhr. »Noch sieben Minuten«, sagte er, »dann kannst du langsamer machen.«
    Sonst nahm sie nie Befehle von ihm entgegen. Virginia West war bereits Deputy in Charlotte gewesen, als Brazil noch zur Polizeiakademie ging und Artikel für den Charlotte Observer schrieb. Dann hatte Hammer sie beide mit nach Richmond genommen. West war die Leiterin der Aufklärung, Brazil war für Recherchen zuständig, leitete die Öffentlichkeitsarbeit und arbeitete an der Entwicklung der Website.
    Obwohl man sagen konnte, dass West und Brazil in Hammers NIJ-Team Kollegen waren, war West der Meinung, dass sie höher rangierte, und daran würde sich auch nichts ändern. Sie war stärker. Nie würde er ihre Erfahrung haben. Sie ging besser mit der Schusswaffe um, und sie war die bessere Kämpferin. Einmal hatte sie einen Verdächtigen sogar getötet, auch wenn sie nicht sehr stolz drauf war. Ihre Affäre mit Brazil damals in Charlotte war nur der völlig normalen Intensität ihrer Mentorenschaft zu verdanken gewesen. Er hatte sich verknallt, und sie hatte sich drauf eingelassen, bis es vorbei war. Na und?
    »Siehst du hier vielleicht noch jemand, der sich abrackert? Außer den beiden Mädchen vielleicht, die entweder im Laufteam sind oder an einer Essstörung leiden«, schimpfte West atemlos. »Nein! Und rat mal warum! Weil es so dämlich ist wie Scheiße! Ich sollte beim Kaffee sitzen und Zeitung lesen, genau jetzt.«
    »Wenn du aufhören würdest zu reden, könntest du auch in einen
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