Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
Vom Netzwerk:
schon gedacht. Er stand auf. »Ich schau mich trotzdem mal um. Wo finde ich diesen Hof von dem Labbes?«
    Jäntges beschrieb ihm den Weg. »Aber seien Sie vorsichtig. Wenn Sie jetzt auch noch verschwinden, haben wir echt ein Problem.«

    Von Weitem wirkte die Hofanlage ansehnlich. Die weiß getünchten Wände strahlten in der mondhellen Nacht, die Fenster setzten sich wie dunkle Augen davon ab. Kurz stellte Bohleber in Frage, ob er auf das richtige Anwesen zuging. Doch auf dem Pflaster vor der Haustür angekommen, zerstoben die Zweifel wie ein Laubhaufen im Wind. Die Reste eingeschlagener Glasscheiben hingen im fauligen Holz der Fensterrahmen, großflächig platzte der Lack ab. Unkraut wucherte im Vorgarten, schulterhohe Disteln und Brennnesseln rankten entlang der Scheune empor.
    Er fragte sich, warum die Enkelin, diese Eva Taeren, den Hof nicht verkaufte. Spielten da vielleicht Erinnerungen an eine wunderbare Kindheit eine Rolle?
    Die Glocke der nahen Pfarrkirche St. Dionysius schlug zehn Uhr an.
    Bohleber schaltete die Taschenlampe ein, die er aus dem Wagen mitgenommen hatte, und leuchtete durch eins der Fenster ins Innere. Staub bedeckte den Fußboden, die Deckenbalken bogen sich durch und von den Wänden hingen schimmelige Tapeten herab. Ein trostloser Anblick. Er ging zum nächsten Fenster. In dem Raum dahinter sah es nicht besser aus.
    »Hallo? Ist da jemand?«, rief er und lauschte.
    Nichts. Nur der Wind pfiff durch die Mauerritzen. Vielleicht kam er zu spät. Im Geiste sah er zwei Körper mit zerschmetterten Schädeln im eigenen Blut auf dem schmutzigen Boden liegen, daneben ein heruntergefallener Dachbalken. Er schüttelte sich, rief erneut ins Haus.
    Wieder keine Antwort. Stattdessen hörte er ein leises Knarren. Versuchte da jemand, auf sich aufmerksam zu machen? Oder war es nur der Wind, der an einer Tür zerrte? Er entschied sich, nachzuschauen. Entschlossen drückte er die unverschlossene Haustür auf. Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe hin und her gleiten. Nach und nach erforschte er so Raum für Raum. In der ehemaligen Küche rieselte Staub auf seine Schulter, die Decke knarzte. Da oben war doch jemand. Sicherheitshalber zog er die Pistole und ging die Treppe hoch. »Hallo!«, rief er. »Zeigen Sie sich!«
    Er erreichte das obere Geschoss, ein Flur lag vor ihm, ihm gegenüber ein Fenster, drei Türen gingen ab. Er blieb stehen und horchte. Plötzlich flatterte etwas auf ihn zu. Er duckte sich und wich in Richtung Wand aus. Sein Herz setzte zum Galopp an. Keine Sekunde später huschte etwas an seinem Kopf vorbei.
    Eine Fledermaus!
    Offensichtlich hatte er das Tier mit dem Licht der Taschenlampe aufgeschreckt. Es flog durch das scheibenlose Fenster hinaus in die Nacht.
    Stumm verfluchte er seine Schreckhaftigkeit und wartete, bis sich der Puls beruhigt hatte, dann öffnete er die erste Tür. Dahinter verbarg sich nur ein leerer Raum. Hinter der zweiten Tür befand sich ein Bad, abgeplatzte Kacheln lagen zerborsten auf dem Boden. Jemand hatte das Waschbecken von der Wand gerissen.
    Entschlossen öffnete er die dritte Tür. Sie drehte sich quietschend in den Angeln. Ohne Vorwarnung schoss eine Gestalt auf ihn zu, rempelte ihn zur Seite und rannte die Stufen hinunter.
    »Was zum Teufel ...?« Vom ersten Schrecken erholt, folgte Bohleber.
    Die Gestalt spurtete die Straße hinunter, die Bewegungsabläufe wirkten trainiert. Doch Bohleber wollte sich davon nicht abschrecken lassen. Ein paar Minuten würde er schon durchhalten. Am Sportplatz vorbei bogen sie nacheinander in einen Weg ein. »Zu den Leyen« registrierte Bohleber das Schild mit den Straßennamen. Der Abstand zwischen den beiden vergrößerte sich, die letzten Häuser von Lissendorf ließen sie hinter sich, entlang der Bahnschienen hetzten sie weiter. Bohlebers Lungen brannten, die Beine schmerzten. Einige hundert Meter hielt er noch durch, kapitulierte schließlich kurz nach der Stelle, wo der Weg in einen Wald führte. Keuchend holte er Luft. »Mist!«, stieß er aus. Als er wieder zu Atem gekommen war, blickte er sich mithilfe des Lichts der Taschenlampe um. Laubbäume streckten sich in die Höhe, die Kronen weit über ihm, links ein Hang, rechts vom Weg ging es in die Tiefe. Zwanzig Meter unterhalb verliefen die Bahnschienen.
    Wie Zähne aus dem Gebiss eines Riesen wuchsen wuchtige Felsformationen aus dem Hang. Er erinnerte sich an den Straßennamen. Bedeutete »Ley« nicht »Fels«? Wie passend.
    Es raschelte.
    Es kam aus der Richtung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher