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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
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Wahrheit sprach, »jetzt bitte mehr über die Beichte.«
    Sie faltete die Hände in ihrem Schoß. »Ein Streit. Es ging um eine Frau aus dem Dorf, in die sich die beiden Hals über Kopf verliebt hatten. Unglaublich, oder? In dem Alter. Aber warum nicht? Wo die Liebe halt hinfällt, nicht wahr? Normalerweise hatten die beiden, also mein Opa und Onkel Heinrich, sich ja sehr gemocht, sind durch dick und dünn gegangen, ein Herz und eine Seele.«
    »Mhm, die Heusoldaten«, sagte Bohleber.
    Sie lachte unlustig. »Sie kennen die Geschichte also schon. Aber bei dieser Frau hat der Verstand ausgesetzt. Es flogen die Fäuste. Ein Kinnhaken von Onkel Heinrich ließ meinen Opa zur offenstehenden Kellertür taumeln. Dort angekommen trat er ins Leere und stürzte rücklings die Treppe hinab.« Hilflos hob sie die Schultern. »Genickbruch.«
    Im Geiste sah Bohleber die Männer kämpfen. »Warum ist Ihr Onkel nicht zur Polizei gegangen? Ein guter Anwalt und er wäre bestimmt mit ein paar Jahren Haft davongekommen.«
    »Mag sein. Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ob Sie es glauben oder nicht: Am gleichen Tag ist meine Mutter verunglückt.«
    »Das gibt es doch nicht«, entfuhr es Bohleber.
    »War aber so. Ich lag oben im Kinderbettchen, die beiden Alten hatten sich als Babysitter angeboten. Abends tauchte die Polizei auf und überbrachte Onkel Heinrich die schreckliche Nachricht. Können Sie sich das vorstellen, wie der sich gefühlt haben muss?« Mit tränenverschleierten Augen sah Eva Taeren auf.
    Bohleber nickte. »Um es abzukürzen: Sie waren durch den Unfall Halbwaise, ihr Vater abgehauen, ihr Opa tot, nur Onkel Heinrich noch da. Wenn er in den Knast gegangen wäre, dann wären Sie ins Heim gekommen. Dieses Schicksal wollte er Ihnen ersparen. Daher beerdigte er Ihren Opa hier unten und erfand das Märchen von dem Verschwinden. Und da er ihn eigentlich geliebt hatte, hat er, nachdem Gras über die Sache gewachsen war, so etwas wie eine Kapelle errichtet. Stimmt’s?«
    »Genau so war es«, sagte Eva Taeren. »Ich komme hin und wieder hierher, zünde die Kerzen an und bete für ihre Seelen. Wie heute Abend. Sie haben mich vorhin dabei überrascht. Ich bin hoch ... ach, den Rest kennen Sie ja.«
    Eine Weile schwiegen sie.
    »Und Sie selbst trauen sich jetzt nicht, das Anwesen zu verkaufen«, sagte Bohleber in die Stille hinein, »weil dann das Ganze ans Tageslicht kommen würde.«
    Sie nickte.
    »Dass Ihr Onkel damit durchgekommen ist«, murmelte Bohleber. »Hatte er Helfer im Dorf? Wusste noch jemand davon?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Glaub‘ nicht. Mein Onkel konnte sehr verschwiegen sein. Und was jetzt?«
    Bohleber hatte genug gehört. »Gehen Sie nach Hause und ruhen sich aus. Ich werde mit meinem Chef besprechen, was wir weiter unternehmen. Ich verspreche Ihnen, wir werden so diskret wie möglich vorgehen.«
    Sie verließen den Keller und verabschiedeten sich vor dem Haus. Eva Taerens Schritte verhallten hinter ihm in der Nacht. Als er am Wagen angekommen war, klingelte das Handy. »Kannst abbrechen«, sagte sein Chef. »Der Wagen des Kamerateams ist in Trier sichergestellt worden. Stand im absoluten Halteverbot.« Er lachte gackernd. »Wenn die morgen früh ihr Liebesnest verlassen, werden sie sich wundern. Soll uns aber egal sein, der Fall ist damit erledigt.« Er wünschte ihm einen erholsamen Sonntag und verabschiedete sich. Bohleber hielt ihn nicht auf. Um den Labbes konnten sie sich noch am Montag kümmern. Er ließ den Blick schweifen und blieb an einem der Fenster des Gasthofs hängen. Friedrich Jäntges hatte die Gardine zur Seite geschoben und schaute in die Nacht hinaus.
    Bohleber hob die Hand zum Abschiedsgruß, stieg dann in den Wagen und fuhr nach Hause. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass der alte Kauz alles wusste.

    Fritz Jäntges ließ die Gardine zurückfallen und ging zur Theke. Geduldig wartete er, bis Marianne ihr Telefonat beendet hatte, und sagte dann: »Der Bulle ist weg.«
    »Gut. Ludwig hat durchgegeben, dass der Wagen des Kamerateams gerade abgeschleppt wurde.«
    »Bestens. Hat er gut gemacht. Dann mal los.«
    Marianne zog eine Schublade unter dem Tresen auf und entnahm ihr einen Schlüsselbund.
    Die beiden verließen die Kneipe.
    »Hey, ihr Zwerge«, rief ihnen einer der inzwischen stark angetrunkenen Jugendlichen zu.
    Sie ignorierten es und gingen an dem Eingang der Bahnsteigunterführung vorbei zum alten Stellwerk. Dunkel zeichnete sich das alte Gebäude gegen den
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