Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
Vom Netzwerk:
fuhren die wie die Gestörten durch das Revier und – klatsch!
    Heute war es wieder soweit gewesen. Der Abendkrimi im Fernsehen war noch nicht einmal bis zur ersten Leiche gekommen, da hatten sie wieder angerufen. Dellmann von der Wache in Prüm war es gewesen, der mich mal wieder zu einer Unfallstelle gerufen hatte. Nicht schön, ein alter Keiler hatte wohl versucht, einen Sprinter von der Fahrbahn zu drängen. Der arme Kerl, er hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, den Versuch abzubrechen.
    Es war am Ende der langen Geraden der Landstraße, die von der B 265 zwischen Losheim und Prüm herkommt. Dort beginnt die Straße sich aus dem Wald in das Tal zu schlängeln. Und wer zu schnell um die erste der Kurven kommt, hat im Zweifelsfall keine Chance, wenn da eine Rotte Wildsauen steht.
    Mir brach es immer das Herz. Ich mag ja die Tiere. Auf die Jagd gehe ich ja kaum als Förster, auch wenn der Jagdschein dazugehört. Auf so eine Tour muss ich auch immer die Flinte mitnehmen, man weiß nie, ob das Tier noch lebt und von seinen Leiden erlöst werden muss. Gar nicht schön, macht keinen Spaß, so etwas.
    Der Fahrer des Lieferwagens stand, beleuchtet vom zuckenden Blaulicht des Polizeiwagens, am Straßenrand und kotzte. Keine Ahnung, wieviel der drauf gehabt hatte, als er die arme Sau getroffen hatte. Auch Kurbjuweit, der mit seinem Notizblock neben dem Streifenwagen stand, schüttelte nur noch den Kopf. »So eine Sauerei habe ich selten gesehen«, schimpfte er und schob die Fleischstücke zusammen. »Hoffentlich regnet es bald, sonst kriegen wir das ja nie weg.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nützt ja nix.« Der Sprinter hatte den Keiler mit der Motorhaube erwischt und war dann noch darüber gerollt. Der Kühlergrill war eingedrückt, aus dem Kühler lief das Wasser und bildete ein Rinnsal bis zum Straßengraben. Ein paar Meter zurück lag, was von dem Eber übriggeblieben war. Viel erinnerte nicht mehr an das ehemalige Tier. Musste mal ein prachtvoller Bursche gewesen sein.
    Ich fuhr den Land Cruiser rückwärts an den Fleischberg heran. Kurbjuweit leuchtete mit den Scheinwerfern vom Streifenwagen die Stelle aus. Dann zog ich die Handschuhe an und gab ihm auch welche. »Hier, pack mit an«. Mit vereinten Kräften wuchteten wir den Körper in die Plastikwanne, die hinten im Kofferraum war. Anschließend gingen wir die Straße ab und bargen die verschiedenen Teile, die noch auf der Straße lagen.
    Ich setzte mich auf den Fahrersitz, und er kam und reichte mir die Handschuhe. Blut tropfte von dem Leder. Mit spitzen Fingern warf ich sie vor die Rückbank. »Und, was machst du damit? Wildbret?«, grinste er. Ich verzog das Gesicht.
    »Du weißt genau, dass das nicht geht. Nein, ein paar Kilometer weiter ist ein Luderplatz. Die Füchse werden sich freuen. Und die anderen Wildsauen auch.«
    Er schüttelte sich. »Erspar mir die Einzelheiten«, meinte er und seufzte. »Ich darf jetzt noch gucken, wie ich unseren Rennfahrer wieder an den Start kriege. Am besten rufe ich dem ein Taxi.«
    »Mach mal«, nickte ich und fuhr los in Richtung Ormont. Es war eine dunkle Nacht. Sehr dunkel. Kurz nach dem Ortseingang bog ich wieder rechts auf die kleine Straße nach Neuenstein. Fast hätte ich in der dunklen Nacht den Weg übersehen, der mich in Richtung Kreisgrenze bringen sollte, wo mein Ziel lag. Und jetzt schaukelte ich hier durch den Wald, Kilometer um Kilometer, bis zu der Stelle, von der die Waldtiere wussten, dass ich ihnen hier immer wieder einen Leckerbissen kredenzte.
    Früher waren die Luderplätze dazu angelegt worden, um die Füchse anzulocken. Ein netter Nebenerwerb für die Förster, wenn sie sich im Winter den ein oder anderen Fuchs abholten. Bei uns in der Eifel gab es sie kaum noch. Ich allerdings hatte so meine Stellen. Was sollte ich die Tiere, die dem Verkehr zum Opfer fielen, der Tierkörperverwertung übergeben, fragte ich mich immer. Hier fanden sie die Raubtiere, hier ergab das nutzlose Sterben wenigstens noch einen Hauch von Sinn.
    In dieses kleine, verwilderte Seitental verirrte sich auch kein Wanderer. Die Jäger, die in meinen Revieren unterwegs waren, waren selten hier, sodass ich ihnen auch nicht die Füchse auf dem Silbertablett servierte. Eine Grube war es, in die ich immer die Kadaver legte und mit etwas Erde bedeckte.
    Und wenn ich weg war, kamen die Tiere. Erst die Füchse, dann die Dachse und Marderhunde, schließlich auch das Schwarzwild. Übrig blieb nie viel. Eigentlich eher gar nichts.
    Als ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher