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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
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mich deshalb die Meldung aus dem tiefsten Winkel des Sackes. Dort hatte eine Armadeira den Sturm genutzt und sich in einer Ecke eingenistet. Das Riesenvieh hatte die Bohnen in seiner Umgebung bereits eingesponnen und sich auf ein paar Jutefäden häuslich eingerichtet.
    Ich trommelte den Sprecherrat zusammen. Die anderen verstanden meine Panik nicht. Esteban sprach über die friedliche Koexistenz von Spinnen und Kaffeebohnen, davon, dass uns selbst die riesige Armadeira nie etwas zuleide tue, dass diese ihr Gift am liebsten in Menschenhaut verspritze. Gut, wir müssen nun etwas enger zusammenrücken, um der Riesenspinne Platz zu machen, aber das sei doch weit weniger schrecklich als die ewigen Stürme. Nicht nur Diego, auch Christobal stimmte ihm zu.
    »Leute«, rief ich aus. »Ihr müsst einmal über den Tellerrand hinausdenken! Wir haben eine Mission zu erfüllen. Wir müssen die Eifeler von uns Catuai-Bohnen überzeugen, damit Don Abraám auch unsere Kinder und Kindeskinder in die Dauner Kaffeerösterei schicken kann. Wenn wir aber mit einer Armadeira im Sack ankommen, dann können wir das vergessen. Im Gegensatz zu den Campesinos in Guatemala drehen die Eifeler bei giftigen Tieren durch. Die kennen das Wildschwein und den Hühnerhabicht, aber weder Kaimane noch Palmenvipern noch die Armadeira. Ihr wisst, wie aggressiv das Biest sein kann! Springt seine Beute an, sticht zu, Exitus! Eine Armadeira in der Eifel, das heißt Massenpanik! Kein Mensch wird je wieder einen Fuß in unsere Kaffeerösterei setzen! Niemals mehr wird eine Catuai-Bohne in der Eifel willkommen sein. Kapiert ihr das?«
    Langsam verstanden die anderen, in was für einer verzweifelten Lage wir uns befanden. Wir überlegten und debattierten lange und entschieden, es zuerst mit Verhandlungen zu versuchen. Diego, der handwerklich geschickt war, bastelte aus ein paar Jutefäden eine weiße Fahne. Damit machten wir uns auf den beschwerlichen Weg zum hintersten Winkel unseres Sackes.
    Fett und zufrieden saß die Armadeira in ihrer Ecke, hob mit minimaler Bewegung eines ihrer Spinnenbeine, um uns zu signalisieren, dass sie gnädigerweise bereit war, anzuhören, was wir ihr zu sagen hatten.
    Ich schlug ihr vor, unseren Sack in Hamburg zu verlassen. Warum sie das tun solle, wollte die Spinne wissen. Dort gebe es Sankt Pauli und die Reeperbahn und so viel nackte Menschenhaut, dass sie sich aussuchen könne, wen sie attackieren wolle, erzählte ich. Menschen aus aller Herren Länder, eine Auswahl sondergleichen, pulsierendes Stadtleben, der pure Wahnsinn, Spinnenjagdgründe ohne Ende.
    Die Großstadt sei ihr verhasst, antwortete die Spinne müde, sie liebe gemütliches Landleben, die Eifel sei genau das Richtige für sie.
    Geknickt machten wir uns auf den Rückweg. Noch bevor wir unseren Platz wieder erreicht hatten, war uns klar, dass es nur eine Möglichkeit gab, die Armadeira loszuwerden: Wir mussten sie umbringen.
    »Wir Catuai sind zwar winzig, aber wir sind viele«, erklärte christobal, der schon eine Strategie im Kopf hatte. »Wenn wir uns zu einem Rammbock zusammenschließen und mit der Kraft von Vierhunderttausend auf die Riesenspinne drücken, dann erreicht sie Hamburg mausetot und flach wie eine Flunder.
    »Auf in den Kampf«, schrie Diego. »Ich stehe mit meinem Trupp strammer Jungbohnen als Speerspitze zur Verfügung! Tod der Armadeira!«
    Endlich kam mal ein vernünftiger Gedanke aus seinem von Telenovelas verseuchten Kopf! Christobal ließ Diego und seine Stoßtruppe Angriffe üben und teilte die anderen Bohnen in Kompanien ein. In einem Treffen mit den Kompanieführern machte er uns alle mit seinem Plan vertraut. Da die Armadeira tagsüber schlief, mussten wir am Mittag zuschlagen, und wir mussten es schnell tun, denn bereits morgen früh würden wir in Hamburg einlaufen.
    Es war Esteban, der Christobals Pläne zum Einsturz brachte. »Wir können nicht mit einer toten Armadeira in der Eifel ankommen«, so sein Einwand. »Ihr wisst alle, dass sie platt wie ein Peso ist, wenn wir sie in die Jutefäden gedrückt haben. Keine Chance für uns, ihre Leiche zu entsorgen, ohne Spuren zu hinterlassen.«
    Ich wusste, dass Esteban recht hatte. Eine tote Armadeira blieb eine Armadeira. Auch sie würde in der Eifel Panik auslösen. Wieder hektische Besprechungen, die Zeit lief uns davon. Wie wir es auch drehten und wendeten, wir hatten nur eine einzige Chance die Armadeira loszuwerden. Wir mussten sie im Hamburger Hafen, während uns der Kran aus dem
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