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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
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wie das Meer und haben ein Wasser, weicher als das Gefieder eines Aras. Maare heißen sie.«
    Es folgten endlose Diskussionen über Wasserqualität. Überhaupt viele endlose Diskussionen, denn die Tage wurden lang. Zäh wie Sirup flossen sie dahin. Die Sonne über dem Karibischen Meer brannte gnadenlos, kein Wind wehte, die Luft im Sack war zum Schneiden, die kleinste Bewegung ein Kraftaufwand. Alle lagen wir faul auf unseren Silberhäutchen, bräsige Langeweile breitete sich aus. Während wir unter der Hitze litten, erzählte ich von zugefrorenen Eifelseen, von Minusgraden im zweistelligen Bereich, von meterhohem Schnee, von zauberhaften Zuckergusslandschaften, von klirrender Kälte. Vom Mäuseberg, den die Dauner auf Skiern herunterwedelten. Vom warmen Atem, der sich durch die Kälte in Nebelwolken verwandelte. Von den freundlichen Eifeler Gasthäusern, in denen man zum Aufwärmen etwas Hochprozentiges trank oder einen Kaffee oder beides. Denn gerade weil es in der Eifel so lang und hartnäckig kalt war, liebten die Eifeler den Kaffee ganz besonders.
    Die Schwüle setzte sich auf dem Schiff fest, meine Geschichten über Eis und Schnee wiederholten sich, manchmal fehlte mir die Kraft, sie schon wieder zu erzählen. Wir wurden alle so träge, dass es nicht mal mehr Diego nach den Perlböhnchen gelüstete. Nachts träumte ich von der Armadeira. Die Gringos nannten sie Bananenspinne und hatten mehr Angst vor ihr als wir vor der Kaffeemühle. Ich träumte, wie die Armadeira in unserem Sack herumkrabbelte, sich mit ihrem fetten Körper genau auf mich setzte und mir die Luft zum Atmen nahm. Wenn ich morgens schweißgebadet erwachte, ließ ich als Erstes bei allen löchrigen Stellen nach Eindringlingen suchen. Aufatmen tat ich erst, wenn die Nachricht kam, dass in unserem Sack nichts anderes als Catuai-Bohnen lagerten.
    Morgen für Morgen vermeldeten die Kundschafter, dass unser Sack frei von Eindringlingen war. Die Hitze hielt uns weiter in ihren klebrigen Klauen. Wir wurden schläfriger, nachlässiger, unaufmerksamer. Nur so ließ es sich erklären, dass eines Morgens zwanzig zerlumpte Tchibonis in unseren Sack schlüpften und um Asyl baten.
    Heftige Diskussionen in unserem Sprecherrat, ich hielt mich strikt an Don Abraáms Anweisung. Wir konnten nicht riskieren, durch schlechte Bohnen unsere Qualität zu senken. Nicht bei dieser ersten Reise. christobal unterstützte mich, weil er die Tchibonis für unberechenbar hielt, Esteban faselte von internationaler Solidarität und bestand darauf, die Tchibonis aufzunehmen. Diego schlug sich auf Estebans Seite. Nicht aus politischer Überzeugung, er wollte mir eins auswischen, weil ich ihm vor ein paar Tagen verboten hatte, nachts heimlich in den Sack der indischen Perlböhnchen einzudringen. Eine Pattsituation! Wir debattierten lange und verständigten uns am Ende darauf, dass die Tchibonis bis Hamburg bleiben konnten, aber auf gar keinen Fall mit in die Eifel reisten. Außerdem begrenzten wir ihren Bewegungsradius im Sack auf ein eng gestecktes Karree.
    Bei den Azoren gerieten wir in stürmische See, tage- und nächtelang riss der Wind an den Planken, türmten sich die Wellen unter dem Schiff auf und ließen es dann in die Tiefe fahren. Im Sack machte sich im heillosen Durcheinander Panik breit, besonders die Kleinen waren den Naturgewalten nicht gewachsen, sie wurden durch die Jutemaschen nach draußen gedrückt und verloren sich in den Weiten des Containers. Wir hatten große Verluste zu verzeichnen.
    Hatte uns im Karibischen Meer die Hitze erdrückt, so pfiffen über den Atlantik eisige Winde, und als wir den Ärmelkanal durchquerten, sank das Thermometer unter den Gefrierpunkt. Um nicht zu frieren, rieben wir die Silberhäutchen aneinander, und ich erzählte vom warmen Ofen der Dauner Kaffeerösterei, in dem wir unser volles Aroma entfalten würden. Leider fielen Diego beim Thema Rösten wieder die indischen Perlböhnchen ein! Er posaunte im Sack herum, dass wir uns nach all den Strapazen einen lustigen Abend verdient hatten, und es gelang ihm, einen Trupp strammer Jungbohnen um sich zu sammeln, mit denen er den hochnäsigen Paradenia-Perlböhnchen einheizen wollte, ob es mir nun passte oder nicht.
    Ein Sturm über der Nordsee verhinderte die Meuterei. Danach waren wir völlig zermürbt und das ewige Schütteln und Rütteln leid. Die Stimmung an Bord sank noch tiefer als das Thermometer. Ich selbst war übernächtigt und am Ende meiner Kräfte. Völlig unvorbereitet traf
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