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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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Ich weiß, dass viele Hausbewohner mich nicht ausstehen können. Sie hassen mich ganz ohne Grund, obwohl ich gut bin in meinem Job. Fragen Sie nur mal rum, wo das sauberste Haus an der ganzen Piazza Vittorio ist. Da wird keiner zögern, alle werden antworten: »Das Haus von Benedetta Esposito.« Ich wollte damit nicht sagen, dass es mir gehört, ich will ja keinen Ärger mit dem richtigen Eigentümer, dem Signor Carnevale. Ich bin bloß eine einfache Hausmeisterin. In dem Haus hier bin ich schon seit vierzig Jahren, ich bin die dienstälteste Hausmeisterin von ganz Rom. Dafür hätte ich eigentlich einen Preis verdient, direkt aus den Händen des Bürgermeisters müsste ich den bekommen. Das Problem ist bloß: Wir sind in Italien. Die Inkompetenten kriegen Preise, die Guten achten wir nicht. Sehen Sie doch bloß, was dem armen Giulio Andreotti passiert ist: Erst dient er jahrzehntelang dem Land und dann wird er beschuldigt, zur Mafia zu gehören! Jessesmariaundjosef! Und es kommt noch besser: Sie haben ihn sogar beschuldigt, Riina 2 auf den Mund geküsst zu haben! Was für eine Schande! Was für ein Skandal! Wer kann denn solchen Lügengeschichten glauben? Dieser arme Christenmensch Andreotti ist schließlich ein aufrechter Katholik. Der versäumt keine Messe, er ist ein echter Herr. Und es ist schon so, wie Totò sagt: »Zur Herrschaft wird man geboren.« Ich bin bereit, vor dem Gericht von Palermo mit fester Stimme zu bezeugen, dass Andreotti in seinem Leben nur eine Hand geküsst hat – die des Heiligen Vaters! Gebeugt hat sich sein Rücken nur unter den Strapazen. Probleme mit meinem Rücken habe ich auch, wegen der schweren Arbeit. Und die Schmerzen an meinen Sehnen geben auch keine Ruhe. Ich kann bald nicht mehr, vor lauter Putzen hier und Putzen da. Aber ich hab halt keine Alternative, meine Pension reicht ja noch nicht mal zum Medizin-Kaufen. Unser Unglück ist doch, dass sie erst Aldo Moro ermordet und dann die Democrazia Cristiana kaputtgemacht haben. Früher habe ich immer die Christdemokraten gewählt, aber jetzt ist alles so ein Durcheinander! Ich weiß gar nicht, wem ich meine Stimme geben soll. Mein Sohn Gennaro hat gemeint, ich soll die Forza Italia wählen, er sagt, er hat gehört, wie Berlusconi im Fernsehen beim Leben seiner Kinder geschworen hat, dass er uns alle so steinreich macht, wie er es ist.
    Bitte was? Der Herr Amedeo ist nicht von hier? Das glaub ich nie, dass der kein Italiener ist! Ich hab ja noch alle Fünfe beisammen und kann sehr wohl zwischen Italienern und Ausländern unterscheiden. Nehmen Sie zum Beispiel diesen blonden Studenten. Da gibt’s doch überhaupt keinen Zweifel, der ist aus Schweden. Man braucht ihn ja bloß anschauen und hören, wie er redet, dann weiß man doch gleich, dass der ein Fremder ist, so wie der spricht. Der macht so viele lachhafte Fehler, zum Beispiel, wenn er immer wieder sagt: »Non sono GENTILE!« Wie kann man das bloß von sich sagen: »Ich bin nicht nett«? Der nennt mich Anna Magnani! Ich hab’s ihm immer wieder gesagt, dass Anna Magnani in Rom geboren ist. Sie ist eine Römerin! Ich bin aber in Neapel geboren und rede neapolitanisch. Er hat mich gefragt, ob ich nicht in einem Film mitspielen möchte. Ich hab ihm geantwortet, dass ich unheimlich gern Filme gucke, vor allem die mit Totò, aber deswegen kann ich doch nicht schauspielern! Ich bin Hauswartin und keine Filmschauspielerin! Da hat er mich bei der Hand genommen und mit mir getanzt. Ich bin beinahe hingefallen, und er schaut mich richtig ernst an: »Du bist die neue Anna Magnani!« Dieser blonde Guaglione, dieser Bube, ist ein Fremder durch und durch, weil er ein totaler Spinner ist. Oft seh ich im Winter blonde Touristen, Männer und Frauen, in kurzen Ärmeln. Da bleib ich dann immer ganz fassungslos stehen und höre mich ungläubig sagen: »Haben diese Leute denn gar keine Angst, sich zu erkälten?«
    Naja, jetzt setzt mir das Alter halt auch schon zu, ich versteh gar nichts mehr. Mannaggia ’a vecchiaia, oh dieses verfluchte Altwerden! Aber jetzt mal langsam: Wenn Ihr Recht habt und der Herr Amedeo ein Fremder ist, wer bitte ist dann ein waschechter Italiener? Da kriege ich ja sogar Zweifel, was mich betrifft! Dann kommt vielleicht auch noch der Tag, an dem man sagt, Benedetta Esposito ist Albanesin oder Philippinin oder aus Pakistan! Ihr werdet’s noch erleben! Amedeo spricht besser italienisch als mein Sohn Gennaro. Sogar besser als der Professor an der Universität von Rom, Antonio
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