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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Autoren: Susan Fraser
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Kilo, lese ich.
    Na, mit neununddreißig hätte ich für dieses Gewicht alles gegeben. Außerdem bin ich schwanger.
    Ich stehe in einem überfüllten Metrowagen, der zurückfährt, in die richtige Richtung, zu Moratel. Die Hitze und der Schweißgeruch der Pendler ersticken mich fast. Wir sind zusammengepfercht wie Sardinen. Berufsverkehr. Jedes mal, wenn wir in einen Bahnhof einfahren, bete ich darum, dass die Masse der Leiber, die gegen mich gepresst wird, wieder nach vorn wogen möge, zurück durch die Türen und auf den Bahnsteig hinaus. Doch das geschieht nicht. Die Türen öffnen sich zischend, und es steigen einfach immer noch mehr Menschen ein, sie schieben und drücken und gebrauchen die Ellbogen. Hier in Paris ist man hart im Nehmen.
    Daher bemerke ich zuerst nicht, was auf dem Zettel unter der Gewichtsangabe steht:
     
    Tu prendras le chemin du haut,
    et moi, je prendrai celui du bas.
    Mais attention,
    ce chemin ne te ramènera pas chez toi.
    Change de route.
 
    Das ist ein anderer Text. Wo ist denn der Satz über die Fußstapfen meiner Mutter? Ich drehe das Stück Papier um, als könnte ich die Worte, die ich erwartet habe, auf der Rückseite finden. Aber ich habe eine Niete gezogen. Meine Wut hat keinerlei Logik, als ich wieder in die Tasche greife, mich frage, ob ich vielleicht den falschen Zettel hervorgezogen habe, und gegen jede Vernunft noch mal nach dem bröseligen, abgerissenen Papierschnipsel mit dem Ledergeruch suche, das an den Rändern ausgefranst war. Mit dem linken Ellbogen streife ich einen Geschäftsmann. Wenn Blicke töten könnten! »Pardon, Monsieur.« aber er wendet sich eiskalt ab. Jetzt will ich sie erst recht zurückhaben, meine Prophezeiung, genau so, wie sie war!
    Aber alles, was ich zutage fördere, ist mein Metroausweis.
    Also schaue ich mir den neuen Zettel noch mal an.
 
    Tu prendras le chemin du haut ...
 
    Ich lasse mir die Worte durch den Kopf gehen, denn ich kann erst weiterlesen, wenn ich die erste Zeile verstanden habe.
    Du wirst den oberen Weg nehmen.
    Was soll das denn heißen? Inzwischen bin ich frustriert und ärgerlich. Allmählich setzt die Hitze mir zu. Und ich merke, dass ein sehr großer Mensch, ein Mann, mir über die rechte Schulter blickt und meinen Zettel liest. Ruckartig drehe ich den Kopf, um ihn empört anzusehen.
    Das Erste, was mich an diesem Mann gefangen nimmt, ist sein Lächeln, die Art, wie es sich auf einmal über sein ganzes Gesicht ausbreitet. Ich vergesse völlig, dass ich ihn wütend anstarren wollte.
    »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?«, fragt er auf Englisch mit einem lächerlich breiten schottischen Akzent und sieht mir in die Augen. »Eine Diät machen?«
    Ich bin verwirrt. Es ist nicht die Tatsache, dass er mich als englische Muttersprachlerin erkannt hat. Nein, in dieser Stadt der perfekten Solarienbräune bin ich an meinen Sommersprossen ebenso todsicher zu erkennen, wie der Schotte sich in diesem Metrowagen voller griesgrämiger gallischer Gesichter durch sein Lächeln verrät. Aber die Art, wie er mich angesprochen hat, überrascht mich - er hat sich eingemischt, als wären wir mitten in einem Gespräch über das Wetter oder über mein Leben.
    »Wie bitte?«, frage ich.
    »Na, Sie sind offensichtlich sehr enttäuscht über Ihr Ergebnis.«
    Er hat wirklich ein hinreißendes Lächeln und dazu ein schönes Gesicht. Sein Haar ist so strubblig wie Charlies Haar am Strand, als würde es vom Wind in alle Richtungen gepustet, als käme er gerade von der Isle of Skye. Nur der Kilt fehlt - wie schade!
    »Deswegen habe ich mich gefragt, was Sie jetzt wohl unternehmen wollen.«
    Da kapiere ich endlich, wovon er eigentlich spricht. »Ach so, das hier!« Verlegen wedele ich mit dem Zettel herum. Der Geschäftsmann links von mir wirft mir wieder einen mordlüsternen Blick zu. »Nichts - ist gar nicht wichtig.«
    Mir wird bewusst, dass wir ringsherum Zuhörer haben. Neugierige Blicke wandern zwischen mir und dem Schotten hin und her. Die Leute fühlen sich von der fremden Sprache angezogen und von der tiefen, klangvollen Stimme dieses Mannes, von seinem verführerisch singenden Tonfall - ganz so wie ich.
    »Hmm.« Augenscheinlich überzeugt ihn das nicht.
    Bin ich denn so leicht zu durchschauen?, frage ich mich. Vielleicht sind es gar nicht die Sommersprossen. Vielleicht ist es so, wie meine Mutter immer gesagt hat: »Annie, du bist wie ein offenes Buch.« Und das war nie als Kompliment gemeint.
    »Und was ist mit dem Rest?«, fragt er.
    »Wie
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