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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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Gesetzgebung für Sexualverbrechen vorgelegt. Die Kommission bestand aus neun Mitgliedern, davon eine Frau. Die acht Männer waren alle über sechzig. Ihr Vorschlag lief darauf hinaus, die Altersgrenze für sexuellen Umgang mit Kindern von fünfzehn auf vierzehn Jahre zu senken. Der Paragraph für schwere Zuhälterei sollte gestrichen werden. Auch Inzest sollte nicht mehr geahndet werden. Die Bezeichnung Vergewaltigung sollte nur noch in Fällen außerordentlicher Brutalität und Grausamkeit angewendet werden. Das Verhältnis zwischen Opfer und Täter sollte in die Waagschale geworfen werden, ebenso wie die Frage, ob die Frau dem Mann vor dem Übergriff Annäherungen gestattet hatte. Dies und vieles andere zeigt auf, wie es um unsere Gesellschaft steht oder stand. Eine Gesellschaft, die sich viele Machthaber wünschen.»
    Erik lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. «Du meinst also, dass Männer über sechzig für alle Missstände in Schweden verantwortlich sind?»
    «Nein, aber wenn du eine Frau bist, die keine einflussreiche Stellung innehat, dann liegt dein Schicksal meiner Meinung nach größtenteils in ihren Händen. Dein Leben. Abhängig von ihrem Good Will. Und damit meine ich, dass sie auch, ohne einen Finger zu rühren, mit ansehen, wenn etwas geschieht. Sie sind bereit, einiges dafür zu tun, dass sich nichts ändert, nichts ans Licht kommt oder in Frage gestellt wird.» Annie beugte sich vor. «Wie ist es möglich, dass in Stockholm Jahr für Jahr Frauen ermordet werden, ohne dass die Schuldigen gefasst werden? Ist es möglich, dass die Polizei nicht allen Verbrechen mit dem gleichen Eifer nachgeht? Ist der Mord an einer Prostituierten eventuell nicht so wichtig? Gewisse Leute wollen vielleicht auch gar nicht, dass ein solcher Fall aufgeklärt wird.»
    «Das ist ein schwerer Vorwurf, Annie», meinte Patrik.
    «Was meinst du, Max?», fragte Erik.
    «Was?», erwiderte dieser blinzelnd.
    «Was könnte die Polizei dazu veranlassen, eine Straftat nicht aufklären zu wollen?», fragte Anneli, ehe Erik Max erklären konnte, worum es gerade ging. «Das ist doch ihre Arbeit», fuhr sie säuerlich fort und schielte zu Max hinüber, der ganz in Gedanken zu sein schien und wahrscheinlich ohnehin zu betrunken war, um sich an einer Diskussion zu beteiligen.
    «Ich sage nicht, dass die Polizei solche Verbrechen nicht aufklären will», machte Annie deutlich, «sondern, dass sie gewisse Menschen nicht als Täter betrachten möchte. Und es muss auch nicht unbedingt die Polizei sein, die dafür sorgt, dass nichts rauskommt.»
    «Wer sonst?», meinte Patrik.
    «Denk doch nur an die Geijer-Affäre. Die Reichspolizei schickt dem Ministerpräsidenten ein Memorandum, aus dem hervorgeht, dass sein Justizminister häufig ein Bordell aufsucht, in dem Polinnen arbeiten, die Verbindungen zum russischen Geheimdienst unterhalten. Das gelangt an die Presse und wird vertuscht. Die Zeitung muss sich entschuldigen, Abbitte leisten. Das war sicher nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass etwas vertuscht wurde.»
    «Vorausgesetzt, es wurde überhaupt etwas vertuscht», wandte Erik grinsend ein. «Vielleicht hat sich die Polizei ja geirrt. Oder dieser Geijer hatte einen Doppelgänger.»
    «Oder der schwedische Ministerpräsident wollte etwas vor seinen Wählern geheim halten. So wenige Wochen vor der Wahl.» Annie ließ Erik nicht aus den Augen. Unter dem Tisch wippte ihr Fuß im Takt einer Musik, die nur sie hörte.
    «Was meinst du?», fragte Erik. «Dass dieser Zirkus um die ermordeten Prostituierten nur Teil einer Verschleierungskampagne ist?»
    «Könnte sein», antwortete Annie. «Man sollte der einfachsten Theorie den Vorzug geben und keine überflüssigen Hypothesen aufstellen. Ockhams Rasiermesser eben. Wenn die Polizei einen Täter nicht findet, ist die einfachste Erklärung dafür manchmal, dass sie es einfach nicht will. Oder es nicht darf.»
    Patrik nickte und hob sein Glas. «Interessant. Du solltest darüber schreiben.»
    Patrik und Annie waren in fast allen Dingen unterschiedlicher Meinung. Aber sie hatte ihn gern. «Vielleicht mache ich das ja», sagte sie und lächelte.
    Sie kamen auf alltägliche Dinge wie den kalten Winter zu sprechen und versuchten sich gegenseitig davon zu überzeugen, welche Restaurants im Augenblick die besten waren. Annies Gedanken schweiften ab zu der Artikelserie über die Mordopfer, an der sie arbeitete.
    Marianne, das letzte Opfer, war nur eine von vielen gewesen. Ihre Leiche
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