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Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit
Autoren: Poul Anderson
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nicht wieder einschlafen und machte schließlich einen langen Spaziergang. Er wollte ohnehin von Kopenhagen Abschied nehmen. Welche Aufgabe Storm Darroway auch immer für ihn hatte, sie würde ihn kaum an diese Stadt binden – nicht, wenn ihre Anweisungen den Kauf von Marschausrüstung einschließlich Gewehren und Pistolen für zwei Personen eingeschlossen hatten.
    Lockridge überlegte, daß es verdammt viel gab, wofür er dieser Frau dankbar sein mußte. Hierzu gehörte auch, daß sie ihn drei Wochen zu früh hatte hierherkommen lassen. Er fragte sich, warum. Sie hatte ihm aufgetragen, sich Generalstabskarten zu beschaffen und mit der dänischen Topographie vertraut zu machen, möglichst viele Stunden in der altnordischen Abteilung des Nationalmuseums zu verbringen und sich eingehend mit bestimmten Büchern zu befassen, die Auskunft über die Ausstellungsobjekte gaben.
    Und heute war endlich der Tag, an dem er sie wiedersehen sollte! Er beschleunigte seinen Schritt. Das Hotel, das er auf ihre Anweisung bezogen hatte, kam in Sicht. Er durchquerte die Halle, verzichtete darauf, den Lift zu nehmen und gelangte über die Treppe in sein Zimmer. Er brauchte nicht lange auf und ab zu marschieren. Das Telefon läutete. Er riß den Hörer ans Ohr. Der Angestellte am Empfang sagte in ausgezeichnetem Englisch: »Mr. Lockridge? Miß Darroway bittet Sie, sie in fünfzehn Minuten mit Ihrem Gepäck vor dem Hotel zu erwarten.«
    »Danke.« Sekundenlang fühlte er sich gekränkt. Sie behandelte ihn wie einen Diener. Dann schüttelte er den Kopf. Er war zu lange in nördlichen Ländern gewesen und hatte vergessen, was einer wirklichen Dame zustand. Er brauchte keinen Pagen für das Gepäck. Er schwang das eine Bündel auf die Schultern, nahm das zweite und seinen Koffer in die Hand und fuhr in die Halle hinab. Die Formalitäten waren in wenigen Minuten erledigt.
    Ein blitzend neuer Renault hielt an der Bordschwelle. Storm Darroway saß am Steuer. Er hatte nicht vergessen, wie sie aussah, das wäre unmöglich gewesen, und doch hielt er den Atem an, als sie ihm ihr von dunklem Haar umrahmtes Gesicht zuwandte.
    »Hallo! Wie geht es Ihnen?« sagte er lahm.
    Sie lächelte. »Willkommen in der Freiheit, Malcolm Lockridge«, begrüßte sie ihn mit tiefer Stimme. »Können wir fahren?«
    Er brachte die Ausrüstung im Kofferraum unter und setzte sich neben sie. Sie trug enganliegende Hosen und Sportschuhe, wirkte aber nicht weniger beeindruckend als bei ihrer ersten Begegnung. Geschickt fädelte sie sich in den dichten Verkehrsstrom ein.
    »Alle Achtung«, sagte er. »Für Zeitverschwendung scheinen Sie nichts übrig zu haben, wie?«
    »Ich kann es mir nicht leisten«, erwiderte sie. »Ich möchte dieses Land hinter mir haben, bevor es Nacht wird.«
    Lockridge löste seinen Blick von ihrem Profil. »Ich bin bereit für alles, was Sie vorhaben mögen.«
    Sie nickte. »Ich denke schon, daß ich Sie richtig eingeschätzt habe.«
    »Wenn Sie mir sagen würden ...«
    »Gleich. Sie sind also freigesprochen worden?«
    »Ohne jede Einschränkung. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen jemals danken soll.«
    »Natürlich dadurch, daß Sie mir helfen«, sagte sie mit leichter Ungeduld in der Stimme. »Sprechen wir aber zuerst über Ihre eigene Lage. Ich muß wissen, welche Verpflichtungen Sie haben.«
    »Keine Verpflichtungen irgendwelcher Art. Da ich nicht wußte, wie lange die von Ihnen in Aussicht gestellte Tätigkeit dauern würde, habe ich mich nicht anderweitig bemüht. Ich kann bei meiner Mutter wohnen, bis ich etwas anderes gefunden habe.«
    »Erwartet sie Sie bald zurück?«
    »Nein. Ich habe ihr erzählt, daß der Betreffende, der meine Verteidigung finanzierte, mich als Berater für einen wissenschaftlichen Auftrag von unbestimmter Dauer in Europa haben wollte.«
    »Ausgezeichnet ...« Ein anerkennender Blick traf ihn. »Ich sehe, daß ich Ihren Einfallsreichtum ebenfalls nicht unterschätzt habe.«
    »Wo fahren wir hin? Was haben wir vor?«
    »Ich kann Ihnen nicht viel sagen. Höchstens, daß es sich darum handelt, einen Schatz zu bergen und in Sicherheit zu bringen.«
    Lockridge stieß einen gedehnten Pfiff aus und suchte nach einer Zigarette.
    »Sie finden das unglaubwürdig? Melodramatisch? Etwas aus einem billigen Roman?« Storm Darroway lächelte. »Warum glauben die Menschen unserer Zeit, ihr kümmerliches Leben sei die Norm im All? Überlegen Sie doch. Die Atome, aus denen Sie geschaffen wurden, sind Wolken reiner Energie. Die Sonne, die
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