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Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit
Autoren: Poul Anderson
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es, daß William Ellsworth aus Chicago als bester Strafverteidiger des Landes gilt?«
    »Es heißt, daß er kaum einen Prozeß verliert.«
    Storm Darroway rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ein paar tüchtigen Privatdetektiven müßte es gelingen, die Mitglieder der Bande ausfindig zu machen«, sagte sie. »Falsche Alibis können im Prozeß durch geschicktes Kreuzverhör erschüttert werden. Dann müßten wir Zeugen finden, die über Ihren Leumund aussagen. Ihre Weste ist hoffentlich blütenweiß?«
    Er brachte ein schwaches Grinsen zustande. »Mehr oder weniger. Aber hören Sie, das würde ein Vermögen kosten.«
    »Ich habe ein Vermögen.« Sie fegte seinen Einwand beiseite. Der Blick ihrer hellen Augen war forschend auf ihn gerichtet, als sie sich vorbeugte. »Erzählen Sie mir von sich. Ich muß ein bißchen mehr über Sie wissen. Woher stammt diese Nahkampfausbildung, von der Sie sprachen?«
    »Von der Marineinfanterie. Ich war auf Okinawa stationiert und interessierte mich für Karate.« Er erzählte weiter, sprach wie im Fieber und bemerkte kaum, wie sie alle Einzelheiten seines Lebens erforschte – seine Jugend mit der Sehnsucht nach Wäldern, Jagd und Fischfang, die Freiwilligmeldung bei der Armee mit Siebzehn, das Kennenlernen fremder Länder und fremder Völker, das in ihm den Wunsch auslöste, zu lernen, sich weiterzubilden. »Ich habe während meiner Dienstzeit eine Menge gelesen. Später, als ich in die Staaten zurückkehrte, begann ich zu studieren. Ich entschied mich für Anthropologie. Die Fakultät an der hiesigen Universität ist gut, also beschloß ich, hier zu promovieren. Es hätte ein erfülltes Leben werden können. Ich mag primitive Völker. Mag sein, daß ihnen nichts Romantisches anhaftet, daß sie ebenso wie wir ihre Sorgen haben, aber sie besitzen die Natürlichkeit, die wir längst verloren haben.«
    »Dann sind Sie also weit gereist?«
    »Nur ein paar Studienreisen, nach Yukatan zum Beispiel. Diesen Sommer sollte es wieder dorthin gehen. Aber damit dürfte für mich Schluß sein, nehme ich an. Selbst wenn ich bis dahin ein freier Mann bin, kann ich nicht damit rechnen, hier noch auf große Gegenliebe zu stoßen. Nun, es wird sich etwas anderes finden.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Storm Darroway sah sich um. Die Wärter, weniger gelangweilt als sonst, beobachteten sie. Aber sie waren außer Hörweite, wenn sie die Stimme dämpfte.
    »Sehen Sie mich an, Malcolm Lockridge«, sagte sie leise.
    Mit dem größten Vergnügen, dachte er.
    »Ich werde Ellsworth mit Ihrer Verteidigung beauftragen«, sagte sie. »Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Sollten Sie verurteilt werden, so wird er Berufung einlegen. Aber ich glaube nicht, daß es nötig sein wird.«
    Lockridge konnte nur flüstern. »Warum?«
    Sie warf den Kopf zurück. Das lange Haar gab ihre Ohren frei, und er entdeckte in ihrem linken Ohr einen kleinen, durchsichtigen Knopf. Ein Hörgerät? Irgendwie erwärmte ihn der Gedanke, daß sie nicht vollkommen war.
    »Sagen wir, weil es falsch ist, einen Löwen in den Käfig zu sperren«, antwortete sie. Mit kühler Stimme fuhr sie fort: »Außerdem brauche ich Hilfe. Die Aufgabe ist gefährlich. Sie scheinen besser für sie geeignet als jemand, den ich auf der Straße auflese. Was die Bezahlung betrifft, so werden Sie sich nicht über Kleinlichkeit zu beklagen haben.«
    »Miß«, stammelte er, »ich will keine Bezahlung, nachdem Sie soviel für mich tun wollen.«
    »Sie werden zumindest die Mittel für die Reise haben müssen«, sagte sie. »Gleich nach der Verhandlung wird Ellsworth Ihnen einen Umschlag mit einem Scheck und weiteren Anweisungen übergeben. Bis dahin erwähnen Sie mich mit keinem Wort. Wenn Sie gefragt werden, wer Ihre Verteidigung finanziert, so schieben Sie einen wohlhabenden entfernten Verwandten vor. Ist das klar?«
    Erst später, als er sich bemühte, Sinn in die ganze phantastische Angelegenheit zu bringen, fragte er sich, ob sie eine Verbrecherin sein könne, weigerte sich aber, das zu glauben. In diesem Augenblick jedoch erkannte er einen Befehl als solchen und nickte verwirrt.
    Sie stand auf. Er kam unsicher auf die Beine. »Ich werde nicht wiederkommen«, sagte sie und umschloß seine Hand mit festem Druck. »Wir werden uns in Dänemark wiedersehen, wenn Sie frei sind. Bis dahin viel Glück!«
    Er starrte ihr nach, bis sie verschwunden war.

2
     
     
    Am 14. September, 9 Uhr morgens, hatte es in ihrem Brief geheißen. Lockridge erwachte viel zu früh, konnte
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