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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5
Autoren: H. J. Alpers
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zischend in einer Pfütze.
    „Halt, wer da?“ flüsterte der Posten heiser und nestelte ungeschickt an dem Pistolenhalfter an seiner rechten Hüfte. „Keinen Schritt weiter!“
    „Gut Freund, Sergeant“, sagte Goldberg leise und dankte einem Gott, an den er nicht glaubte, für seine englische Uniform. „Besonders wachsam scheinen Sie mir ja nicht gerade zu sein.“
    „Parole?“ verlangte der Posten, die Augen mißtrauisch zusammengekniffen wie ein Hausmeister, der einen Fremden im Kohlenkeller erwischt hat. Er wirkte schon etwas ruhiger.
    „Für Gott und St. Georg“, sagte Goldberg müde. „Weiß der Teufel, wie die verdammte Parole heißt. Sie sind der erste Landsmann, den ich sehe, seit mich die Jerrys vor drei Tagen hinter den deutschen Linien abgeschossen haben.“
    „Flieger, was?“ sagte der Sergeant stumpfsinnig.
    „Ganz recht. Sergeant. Colonal Fitzroy-Jones vom Royal Flying Corps. Udet hat mich erwischt. Oder Göring, was weiß ich.“ Goldberg räusperte sich. „Wo sind wir hier, Sergeant?“
    „Für einen Flieger sind Sie ziemlich alt“, sagte der Posten in seinem breiten Dialekt, das stoppelbärtige Gesicht zu einer mißtrauischen Grimasse verzogen. „Ich dachte immer, die sterben alle früh.“
    „Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Sergeant“, sagte Goldberg eisig und bemühte sich, soviel Upper-class-Akzent in seine Stimme zu legen wie nur möglich. „Wenn ich mich nicht irre, werden in dieser Armee Offiziere immer noch mit ‚Sir’ angeredet. Außerdem hab’ ich Sie was gefragt.“
    Der Posten nickte. „Ja, Sir. Höhe 117, Sir.“
    Goldberg versuchte, seine Erleichterung nicht allzu deutlich spüren zu lassen. „Wo?“
    Der Posten deutete mit schmutzigen Fingern in die Nacht. „Dort drüben, Sir. Diese beiden großen Granattrichter neben den Spanischen Reitern. Jetzt ist davon nichts mehr zu sehen, aber vor ein paar Wochen soll hier tatsächlich noch ein Hügel gewesen sein. Die Jerrys liegen genau dahinter, aber das wissen Sie ja wohl selbst, Sir.“
    „Danke, Sergeant“, sagte Goldberg und kletterte mühsam über die glitschigen Sandsäcke. Der Soldat rückte eilig zur Seite, so als sei er bemüht, ihn auf keinen Fall zu berühren.
    „Wollen Sie nicht endlich melden, daß ich zurück bin?“
    Während der Sergeant leise fluchend wieder und wieder die Kurbel des nutzlosen Feldtelefons drehte, starrte Goldberg aus übermüdeten Augen hinaus auf den zerwühlten Acker. Hier also sollte es geschehen. Es sah so banal aus, so vollkommen alltäglich. Ein paar Granattrichter irgendwo im Niemandsland, mehr nicht.
    Wenn ich bloß nicht zu spät gekommen bin …
    Der Sergeant knallte wütend den Telefonhörer auf die Gabel. „Kann keine Verbindung kriegen, Sir. Anscheinend ist die Leitung mal wieder tot.“
    „Schon gut, Sergeant, vergessen Sie’s“, sagte Goldberg. Er räusperte sich. „Haben Sie wohl genaue Zeit? Meine Uhr ist beim Absturz stehengeblieben.“
    Der Sergeant knöpfte umständlich seinen schweren Uniformmantel auf und ließ schließlich den Deckel einer billigen Taschenuhr aufschnappen. „Zwei Uhr siebzehn, Sir. Greenwich Time.“
    Das wird verdammt knapp, dachte Goldberg. In drei Minuten wird er dort drüben aus dem Graben klettern, genau vor meiner Nase. Das erste und einzige Mal in diesem ganzen Krieg, daß er überhaupt an die Front kommt. Und ich hab’ noch nicht mal das Gewehr parat.
    Er schob den Posten zur Seite, wischte brüsk das Telefon von der Munitionskiste und setzte vorsichtig den flachen schwarzen Koffer ab.
    „Sir …“ begann der Soldat zögernd.
    „Hauen Sie ab, Sergeant. Vertreten Sie sich die Beine oder geh’n Sie pissen oder schießen Sie sich eine Kugel durch den Kopf, was auch immer. Aber stören Sie mich nicht, um Himmels willen.“
    Goldberg wischte seine schlammigen Hände am Innenfutter des Trenchcoats ab und begann mit steifen Fingern das Zahlenschloß des Koffers zu öffnen.
    „Sir …“ setzte der Posten noch einmal an.
    „Sergeant“, sagte Goldberg ohne aufzusehen. „Sie halten jetzt die Schnauze. Oder soll ich Sie wegen Insubordination und Nachlässigkeit auf vorgeschobenem Posten vor’s Kriegsgericht bringen?“
    Mit erzwungener Ruhe nahm er die Teile des zerlegten Präzisionsgewehrs aus ihren samtgepolsterten Fächern und ließ sie der Reihe nach ineinanderschnappen. In der Ausbildung hatte er es mit verbundenen Augen in weniger als zehn Sekunden geschafft, aber jetzt …
    Einen Moment lang starrte er verbittert
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