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Kopernikus 3

Kopernikus 3

Titel: Kopernikus 3
Autoren: Hans J. Alpers
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verschwunden.
    Von der Eingangspassage draußen hörte ich das Bellen von Gewehrfeuer. Schnell ließ ich mich nach draußen treiben, um zu sehen, was geschehen war.
    Die Wachen versuchten, unsere angreifenden Streitkräfte, die sich auf beiden Seiten des jetzt offenen Tunnels verschanzt hatten, zurückzuschlagen. Ungestört durch die Explosionen und Geschosse trieb ich langsam zum Feind hinüber und fand eine Steckdose an der Wand. Irgendwie – ich war immer wieder über die Fähigkeiten meiner neuen Gestalt erstaunt, die ich, wie es schien, fast instinktiv ausüben konnte – erzeugte ich feine Ströme ionisierter Luft, die schmerzhafte Elektroschocks auf die russischen Posten ableiteten. Die Ströme glommen unheimlich; das reichte aus, sie den Mut verlieren zu lassen. Ich vermute, daß unsere Soldaten dahingehend instruiert worden waren, daß sie Unterstützung durch Nachlebende erhalten würden. Wie auch immer, sie gingen vor und zeigten sich durch das Phänomen nur einen Moment lang überrascht.
    Die meisten der Wächter wurden getötet, und es beunruhigte mich zu beobachten, wie aus jedem ein Nachlebender aufstieg, silbrige Bänder schwacher Lumineszenz, die aufwärts trieben, durch das Gestein des Berges und dann vielleicht in die stille Nachtluft hinaus. Die angreifenden Streitkräfte drangen tief in das Herz der Anlage vor, und ich hörte weit entfernt die Geräusche von Explosionen und Rufen, als sie, da gab es gar keinen Zweifel, Ausrüstung und Maschinerie zertrümmerten. Ich blieb aber in der Nähe des Tunneleingangs.
    Die Welt der Nachlebenden ist im Grunde eine des umfassenden Friedens. Die Tatsache, daß man als Nachlebender die Umwelt eines anderen nur auf ziemlich indirekte Art beeinflussen kann, führt zu einem Gefühl heiter-gelassener Unbeschwertheit. Sinneseindrücke wie Schmerz, körperliche Berührung, Hitze und Kälte aus der früheren Seinsweise lassen sich nur schwer ins Gedächtnis zurückrufen. Nicht einmal die Schwerkraft übt einen Einfluß auf den Nachlebenden aus, was den Eindruck, als eine ganz und gar nicht-physische Erscheinungsform des Seins zu existieren, noch verstärkt.
    Das Fehlen direkter Sinneseindrücke wie des Tastens, verbunden mit einer eindrucksvolleren und verfeinerten semi-optischen Sicht der Dinge führt zwangsläufig zu einem distanzierteren Standpunkt. Der größte Schock für mich war es gewesen, die Nachlebenden aus den Körpern der toten russischen Wachposten aufsteigen zu sehen. Hatte mich in meinem körperlichen irdischen Leben die Tatsache nie besonders betroffen, daß ein Feind genauso ein menschliches Wesen war wie ich, so überwältigte mich jetzt plötzlich die Einsicht, daß bei den Nachleben-Wesenheiten, die den toten Gegnern entsprangen, keinerlei Grund für gegen mich gerichtete Aggressionen mehr bestand. Die Motive für einen Krieg ergeben nur einen Sinn, wenn man sie auf die körperhaften Entitäten der Welt anwendet. Obwohl die Nachlebenden, die aus den Männern aufstiegen, die unter meiner Mithilfe getötet worden waren, in derselben Weise empfanden, glaubten und dachten, als würden sie in lebendem Fleisch existieren, sah ich keinen Grund, warum ich in der ätherischen Nachlebenwelt Feindschaft für sie empfinden sollte.
    Ich trieb zum Tunneleingang und blickte von der Hügelflanke über die etwas entfernt gelegene Stadt. Ich vernahm das Geräusch sich nähernder Fahrzeuge; zweifellos hatten der Gefechtslärm oder ein automatisches Warnsystem ande re Truppen alarmiert. Hin und wieder sah man aus den Scheinwerfern der eintreffenden Streitkräfte Licht aufblitzen.
    Ich setzte meinen Treiber in Gang, trieb den Hügel hinunter auf sie zu und erwog, die elektrischen Systeme der Fahrzeuge einfach außer Betrieb zu setzen. Aber ich stoppte, als ich drüben bei der Stadt eines unerwarteten und faszinierenden Anblicks gewahr wurde.
    Aus einem Gebäude stiegen gleichzeitig zehn oder fünfzehn Nachlebende auf, lumineszierende Punkte in der Nacht. Sie begannen auf mich zuzutreiben, und unbewußt führte ich das anfänglich auf einen starken Wind zurück. Dann erinnerte ich mich mit einem schwachen Schock daran, daß meine eigene Erfahrung gezeigt hatte, daß Luft wie jede andere irdische Materie keinen Einfluß auf einen Nachlebenden ausüben konnte.
    Als sie dann immer rascher näher kamen, war die Schlußfolgerung offensichtlich: Der Feind, uns in der Nutzbarmachung des Nachlebenphänomens weit voraus, war bereits soweit, daß er kleine, mit Treibern und
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