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Konny Reimann

Konny Reimann

Titel: Konny Reimann
Autoren: Tobias Friedrich
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leiblichen Vater. Zu dem Zeitpunkt lebte ich schon nicht mehr zu Hause.
     
    Ich beendete die Volksschule mit sechzehn und fing sofort eine Lehre an. Im zweiten Lehrjahr schmiss mich meine Mutter dann raus. Es war 1972, und ich war erst siebzehn Jahre alt. Ich zog um ins Arbeiterwohnheim und war ehrlich gesagt froh, von zu Hause weg zu sein.
    Als ich meinen richtigen Vater traf, war ich erstaunlicherweise nicht sauer auf ihn. Die Frage, warum er uns verlassen und vor allem all die Jahre keinen Kontakt gesucht hatte, ergab sich nicht – die Antwort hatte das erste, von meiner Mutter arrangierte Treffen gegeben. Hätte sich mein Vater in unser Leben eingemischt, wäre nur Mord und Totschlag dabei herausgekommen. Ich hätte zwar zwei Väter gehabt, aber auch viel Verwirrung und weit mehr Streit mitbekommen. Es war sicher nicht einfach für meinen Vater, die Füße stillzuhalten und zu wissen, dass er an unserer Entwicklung keinen Anteil haben konnte. Aber vielleicht war es trotzdem die beste Entscheidung seines Lebens. Ich empfand auf jeden Fall tiefen Respekt vor seinem Entschluss und hegte nicht den geringsten Groll ihm gegenüber. Ich merkte zudem sehr schnell, dass Blut dicker ist als das Tränenwasser, das mich dürftig mit meinem Stiefvater verband.
    In den kommenden Jahren traf ich mich immer wieder mit meinem Vater, und aus einer puren Verwandtschaft wurde irgendwann eine Freundschaft. Während der Draht zu meinem Stiefvater sich auflöste wie ein Kondensstreifen, steht die Verbindung zu meinem wirklichen Vater heute fester denn je. Ob das auch meine Mutter und ihr Freund so im Sinn gehabt hatten, als sie mich alleine großzogen? Irgendwie finden sich die Personen, die zueinander gehören, dann scheinbar doch. Is’ so. Mein Vater wird uns bald besuchen kommen hier in Amerika. Das erste Mal. Ich freue mich drauf.
     
    Als ich im Frühjahr ’72 meine Berufsausbildung bei der Werft Blohm & Voss begann, war eine gewisse Manu gerade mal vier Jahre alt. Während sie sich vermutlich noch mit Puppen und Ponys beschäftigte, bekam ich es mit Schiffsmaschinenbau zu tun. Blohm & Voss war damals die größte Werft in Hamburg, und man konnte dort mehr lernen als anderswo. Hier bekam ich den Grundstock dessen an die Hand, was man benötigt, um in der Welt Fuß zu fassen. Ich durchlief alle Abteilungen, die notwendig sind, um ein Schiff zu bauen, und wurde so zu einem Schweißer, Blechschlosser, Maschinen- und Rohrschlosser, Schiffsmaschinenbauer, Turbinenbauer, Schmied und Dreher. Ich lernte metallverarbeitende Verfahren und Gewerke kennen, wurde zum Fräser und technischen Zeichner ausgebildet, absolvierte die Abteilungen der Arbeitsvorbereitung, erfuhr etwas über Arbeits- und Sicherheitsschutz, und selbst die Holzverarbeitung kam irgendwann dran. Nichts Handwerkliches blieb mir verborgen.
     
    Ich blieb dreieinhalb Jahre bei Blohm & Voss. Die Ausbildung war mit das Wertvollste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Es gab danach kaum
    eine bautechnische Aufgabe, die mich vor große Rätsel stellte. Ich hatte das Rüstzeug, und wo ich auch ging und stand, fiel der Name Blohm & Voss, und schon war alles klar. Meine Lehre dauerte bis 1975, und direkt im Anschluss arbeitete ich ein halbes Jahr, bevor ich mich entschloss, zur Bundeswehr zu gehen. Dort blieb ich zwei Jahre, also länger als üblich. Das hatte einen einfachen Grund: Die Ausbildung und auch die anschließende Arbeit hatten meine Taschen nicht eben zum Bersten gefüllt, und wenn man sich damals für eine längere Zeit als vorgeschrieben beim Bund verpflichtete, gab es weitaus mehr Geld. So konnte ich mir auf einmal locker eine Wohnung und ein Auto finanzieren. Ein neues Stück von der heißersehnten Freiheit. Die Aufgaben, die bei der Bundeswehr auf mich warteten, stellten für mich, im Gegensatz zu einigen anderen, kein Problem dar. Im Gegenteil, ich mochte selbst die langen Märsche, war ich es doch von Kindesbeinen an gewohnt, lange und viel zu laufen und mich auch sonst fit zu halten.
    Seit ich sieben Jahre alt war, ging ich zum Kunstturnen. Ich liebte den Sport. In der Schule bekam ich stets erste Preise, und auch überregional machte ich auf mich aufmerksam. Mit siebzehn fing ich zudem mit Karate an und gelangte auch dort schnell auf ein hohes Niveau. Der Sport bestimmte also schon früh in meinem Leben einen guten Teil meiner Freizeit, und auch während der Zeit beim Bund war dies nicht anders. Man kann also sagen, dass mein Körper jegliche noch so
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