Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
kurz, vor welchem Kanonenboot diese Gruppe wohl geflohen sein mochte, und erstattete seinem Kapitän eiligst Meldung.
    Mrs. Pollifax blickte von unten zu dem Schiff empor und begriff nicht, weshalb die Matrosen an der Reling sie derart entsetzt musterten. Sie hatte sich in ihrer Naivität ausgemalt, daß man sie mit begeistertem Lachen und Freudengeschrei in der Zivilisation begrüßen würde. Jetzt erst kam ihr der Gedanke, daß sie, Farrell und der Dschinn bei zivilisierten Menschen den Eindruck erwecken mußten, eben von einer Mondfahrt zurückgekehrt zu sein.
    Ihre Erlebnisse der letzten zwei Wochen waren zu fantastisch, als daß eine prosaische Welt sie verdauen konnte.
    »Wir drei sind zu Sehenswürdigkeiten geworden«, dachte sie.
    Dann löste sich der Bann, und ein Matrose schrie: »Inglese! Willkommen!« Hurraschreie wurden längs der Reling laut, und Mrs. Pollifax mußte die Augen abwenden, um ihre Tränen zu verbergen.
    »Na, Farrell?« sagte sie, erwiderte sein Grinsen und hob einen ihrer Unterröcke, um sich damit die Augen zu trocknen.
    »Na, Herzogin?« sagte Farrell und grinste sie an.
    »Sie sehen aus wie ein Schreckgespenst, Herzogin«, sagte er liebevoll, »aber Sie sind in Sicherheit.«
    »Sicherheit.« Mrs. Pollifax ließ das Wort genießerisch auf der Zunge zergehen.
    Eine Strickleiter wurde herabgelassen, und ein Offizier mit einem Verbandkasten kletterte zu ihrem Boot hinab. Er ging sofort zum Dschinn und beugte sich über ihn. Zwei Matrosen folgten ihm über die Leiter und erteilten Mrs. Pollifax in gebrochenem Englisch Anweisungen im Strickleiterklettern. Mit ihrer Hilfe begann sie den Aufstieg, und ein Dutzend Männer riefen ihr von der Reling aufmunternde Worte zu. Sie hätte es vorgezogen, auf Farrell zu warten, aber ein Offizier in weißer, gestärkter Uniform bestand darauf, sie unverzüglich zum Kapitän zu eskortieren.
    »Ich muß Sie ersuchen, sich auszuweisen«, sagte der Kapitän, wurde aber dann angesichts ihrer Miene doch schwach und fügte hinzu: »Sicher würden Sie gern jemandem Nachricht zukommen lassen?«
    Mrs. Pollifax dachte an ihren Sohn und ihre Tochter und schob sie widerwillig beiseite. »Wenn Sie so freundlich wären, sich mit Mr. Carstairs von der Zentrale der Spionageabwehr in Washington in Verbindung zu setzen«, antwortete sie.
    Die Lider des Kapitäns zuckten sacht. »Ach, so ist das?« Er betrachtete sie mit unverhohlener Neugier. »Setzen Sie die Nachricht lieber selbst auf. Ich muß Sie nur bitten, sie nicht zu verschlüsseln und mir zu zeigen, ehe sie abgeht.«
    Dankbar nahm Mrs. Pollifax hinter seinem Schreibtisch Platz und versuchte, sich zu sammeln. Nachdem sie kurz an ihrem Bleistift gekaut hatte, schrieb sie:
    SIR, WURDEN HEUTE NACHMITTAG VON…
    Sie blickte auf. »Wie heißt Ihr Schiff und wohin fahren Sie?«
    »>Persephone<. Wir legen in zwei Stunden, also um 19 Uhr, in Otranto an.«
    Mrs. Pollifax begann nochmals:
    SIR, WURDEN HEUTE NACHMITTAG VON DER SS PERSEPHONE AUS DER ADRIA GERETTET. ANKUNFT IN OTRANTO UM 19 UHR. FARRELL UND ZWEITER BEGLEITER BEDÜRFEN ÄRZTLICHER BETREUUNG. HABE WEDER PASS NOCH GELD UND MUSS SIE UM IHRE HILFE BITTEN. SONST WAR DIE REISE HOCHINTERESSANT. IHRE ERGEBENE EMILY POLLIFAX.
    Der Kapitän las die Nachricht durch und nickte. »Sie wird sofort durchgegeben werden«, versprach er. »Wir verständigen auch Otranto, daß wir dringend einen Arzt brauchen. Wir selbst haben leider keinen an Bord.« Er sah sie an und sagte mit leisem Lächeln: »Und Sie möchten sich vielleicht ein bißchen waschen und kämmen?«
    Mrs. Pollifax bekam ganz große Augen. »Ein bißchen waschen«, wiederholte sie. »Ein bißchen waschen? Ach ja, das wäre angenehm «, sagte sie höflich und begann plötzlich laut zu lachen.
    Das Schiff hatte noch nicht angelegt, als eine Hafenbarkasse längsseits anlegte und um Erlaubnis bat, daß zwei Passagiere an Bord kommen dürften. Beide Männer waren in Zivil. Einer hielt eine Aktenmappe in der Hand und der andere eine Ärztetasche. So kletterten sie über die Strickleiter. Sie wurden unverzüglich in die Kabine geführt, in der Mrs. Pollifax, Farrell und der Dschinn sich ausruhten, und ohne weitere Worte trat der Arzt sofort an das Bett des Dschinns. Der zweite Mann blieb stehen und sah Farrell und Mrs. Pollifax abschätzend an.
    Schließlich sagte er: »Ich heiße Ben Halstead. Ich glaube, wir haben einen gemeinsamen Bekannten namens Carstairs.«
    Mrs. Pollifax’ Gesicht erhellte sich. »Aber ja«, gab sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher