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Kommissar Steen 01 - Unruhe

Kommissar Steen 01 - Unruhe

Titel: Kommissar Steen 01 - Unruhe
Autoren: Jesper Stein
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erinnern, als die Polizei gezwungen gewesen war, auf eine Gruppe Demonstranten zu schießen, die die Beamten mit Pflastersteinen angegriffen hatten. Aber auch in der Gegenwart gab es Konfrontationen genug, um den Hass immer wieder aufflammen zu lassen.
    Er musste sich schleunigst einen Überblick verschaffen, welche Polizisten den Friedhof bewacht hatten. Und wenn sich herausstellte, dass sie nichts mit dem Tod des Mannes zu tun hatten? Wer würde jemanden ausgerechnet an einem Ort umbringen oder eine Leiche genau da loswerden wollen, wo es vor Polizei nur so wimmelte, während der Rest der Stadt nahezu ordnungshüterfreie Zone war?
    Axel trat an die Mauer, um sich den Toten näher anzuschauen. Die Hände waren mit etwas gefesselt, das wie Kabelbinder aussah – moderne Plastikhandschellen, wie sie die Polizei benutzte. Sie waren sehr stramm gezogen und hatten in die Haut geschnitten. Er trug ein Paar schwarzer Kampfstiefel, schwarze Lederhose, braunen Sweater und schwarze Windjacke. Er wirkte eigentlich nicht wie ein Autonomer. Axel beugte sich über ihn. Der Geruch des Todes mischte sich mit dem Gestank nach Urin. Es konnte natürlich sein, dass irgendjemand an die Mauer gepinkelt hatte, aber es war wohl wahrscheinlicher, dass sich das Opfer während der Behandlung, der es ausgesetzt gewesen war, eingenässt hatte. Vorsichtig schob Axel die Hand in die Innentasche der Jacke des Toten und tastete nach einem Portemonnaie oder etwas anderem, das verraten konnte, wer er war. Nichts.
    Er rief den Einsatzleiter zu sich.
    »Ich brauche eine Liste mit Namen und Dienstnummern der Männer, die heute Nacht hier Wache gehalten haben, wo siewann gewesen sind, und Informationen zu allen anderen Personen, die hier waren, Personal, Inhaftierte, Presse. Und dann kommt ihr alle ins Präsidium, und wir plaudern über das, was ihr gesehen oder nicht gesehen habt.«
    »Ist das nicht ein bisschen zu drastisch? Wir sind seit gestern Abend acht Uhr im Einsatz.«
    »Nichts ist zu drastisch, wenn es um Mord geht.«
    Axel schaute den Weg hinunter. »Und Sie sind sicher, dass ihr gestern Abend oder heute Nacht niemanden hier drinnen gesehen habt?«
    Der Kollege sah ihn mit Eiseskälte und Empörung im Blick an.
    »Insgesamt haben wir sechs Personen aufgegriffen, vier sind während der Straßenkämpfe da draußen über die Mauer geklettert und wurden einfach wieder rausgebracht. Zwei wurden festgenommen. Die mussten wir mit den Hunden verfolgen. Sie wollten gerade eine ganze Batterie Molotowcocktails hier drin verstecken.«
    »Sonst niemand?«
    »Wir haben niemanden bemerkt. Das ganze Gelände war vollständig abgeriegelt.«
    Vollidioten. Axel schüttelte den Kopf und nickte in Richtung einer Gestalt, die auf sie zukam.
    »Und was ist mit dem da, Sie Amateur? Ist das etwa einer von unseren Zivilen?«

3
    Axel hatte ihn schon gefühlte hundert Mal gesehen. Eines der Originale des Stadtteils, der »König des Friedhofs«, weil er sich das ganze Jahr über hier herumtrieb, immer im selben dünnen, langärmeligen blauen Kittel, der am Rücken zerrissen war, in schmutziger Jeans und Gummistiefeln. Er wühlte in Abfalleimern herum, aß Sandwichs oder große Tafeln dunkler Schokolade oder lief ganz einfach mit energischen Schritten herum, fuchtelte mit den Armen und sprach mit sich selbst.
    Der Einsatzleiter sah ihm mit vor Wut und Scham rotem Gesicht entgegen. Erst unmittelbar vor ihnen hielt der Mann an, zunächst ohne etwas zu sagen, und sah nur von einem zum anderen.
    »Tach«, sagte er dann mit tiefer Stimme und einer so deutlichen Aussprache, als sei das Wort zu umfangreich und inhaltsschwer, um es ohne Anstrengung und Sorgfalt zu gebrauchen. »Ihr habt den schönsten Park der Stadt geschlossen. Ich möchte euch bitten, ihn wieder zu öffnen. Das ist nicht in Ordnung für die, die hier wohnen. Und auch nicht für die Vögel.«
    »Sollen wir ihn festnehmen?«, fragte der Einsatzleiter barsch.
    »Sie nehmen hier überhaupt niemanden fest.«
    Axel legte eine Hand auf die Schulter des Mannes und zog ihn ein wenig zur Seite, weg von der Leiche und den Polizisten. Der Mann hatte verfilztes braunes Haar, einen Vollbart und leuchtend blaue Augen, die intensiv blickten, ohne etwas zu sehen.
    »Frierst du nicht?«, fragte Axel.
    »Nein. Man könnte sagen, ich habe die innere Hitze.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Ich habe meine Runde gedreht. Ich gehe immer den gleichen Weg. Ich habe ein System, an das ich mich halten muss.«
    »Ist dir hier im
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