Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kommissar Steen 01 - Unruhe

Kommissar Steen 01 - Unruhe

Titel: Kommissar Steen 01 - Unruhe
Autoren: Jesper Stein
Vom Netzwerk:
hier?«
    »Nein. Das war um 00.43 Uhr.«
    »Und danach waren die beiden da verantwortlich?«
    »Ja.«
    Axel blickte hinüber zu den beiden uniformierten Beamten. Er hob die Stimme: »Das kann doch wohl nicht wahr sein! Da wird ein Mann umgebracht, direkt vor eurer Nase, und ihr kriegt nichts davon mit? Was zum Teufel habt ihr denn getrieben?«
    Der kleinere Mann, ein gedrungener Typ mit Bürstenschnitt und kalten Augen, kam zu ihnen rüber und antwortete:
    »Wir haben eben nichts gesehen. Wir haben fast die ganze Nacht lang da unten Wache gehalten.« Er zeigte in Richtung eines anderen Eingangstores, knapp fünfzig Meter entfernt.

    »Ihr werdet noch verhört.« Axel wandte sich an den Einsatzleiter. »Was ist mit den Haupteingängen? Wurden die die ganze Zeit über bewacht?«
    »Nicht wenn es hier an der Mauer hoch herging. Die Einsatzzentrale hat uns um Unterstützung angefragt, und dann habe ich alle Männer hierhergeschickt.«
    »Habt ihr die Tore abgeschlossen?«
    »Das weiß ich nicht. Es war alles ziemlich chaotisch. Es ist nicht ganz einfach, hier drin zu sein, wo alles ruhig ist, während die ganze Stadt um einen herum brennt. Ich muss meine Leute fragen, ob sie die Tore abgeschlossen haben.«
    »Was ist mit den anderen Zugängen, waren die die ganze Nacht über abgeriegelt?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie das, weil Sie es überprüft haben, oder sagen Sie es nur, weil Sie Schiss haben, Mist gebaut zu haben?«
    »Ich gehe davon aus.«
    »Das klingt, als hättet ihr euch einen entspannten Abend gemacht. Wenn ihr die Anweisung erhaltet, den Laden hier zu bewachen, dann habt ihr ihn auch gefälligst zu bewachen und so abzuriegeln, dass niemand hereinkommt, verdammt noch mal«, sagte Axel und schlug dann einen etwas versöhnlicheren Ton an. »Oder ihr hättet wenigstens mitbekommen können, wer den da umgebracht hat.«
    Die letzte Bemerkung wurde von einem Lächeln begleitet, das an dem Beamten aber abprallte.
    »Ich muss mich vor Ihnen nicht rechtfertigen. Wir haben getan, was man uns gesagt hat.«
    Axel versuchte sich vorzustellen, wie es gewesen sein musste, in dieser Nacht den Friedhof zu bewachen. Er dankte dem Einsatzleiter, ging hinüber zu dem wartenden Notarzt und schüttelte ihm die Hand.
    »Ein Mann in den Dreißigern oder Vierzigern. Ich glaube, er wurde erwürgt, bin aber nicht sicher. Die Lippen sind blutig, als ob er geschlagen wurde. Ich kann noch nicht genau sagen, wasdie Todesursache ist. Er ist kalt, aber nicht ganz kalt«, sagte der Arzt.
    »Haben Sie seine Temperatur genommen?«
    »Nein, ich wollte nichts anfassen.«
    »Wann waren Sie hier?«
    »3.22 Uhr.«
    »Ist er hier gestorben?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Während sie sprachen, betrachtete Axel den Toten. Er war schmächtig. Ein dunkelhaariger Typ, schmales Gesicht, weit offene, leere braune Augen. Axel trat ein paar Schritte näher heran. Es war üblich, dass man erst die Kriminaltechniker ihre Arbeit tun ließ und danach der vorläufigen Obduktion des Gerichtsmediziners beiwohnte, aber Axel versuchte immer, den Tatort sofort zu lesen. Der erste unbewusste Eindruck war später unschätzbar wertvoll.
    Auf den Lippen waren Blutspuren zu erkennen, nicht rot, sondern schwarz, die Farbe, die Blut sehr schnell annimmt, wenn es mit Sauerstoff reagiert. Dazwischen stach die Zunge hervor, dick und blaulila, wie es häufig bei Opfern zu sehen ist, die erwürgt wurden.
    Die Erde um die Leiche herum war schwer und schwarz, kein Gras, nur Kronkorken lagen überall verstreut, ein paar zersplitterte Flaschen, die zwei Hälften eines Pflastersteins, nasse Äste und eine Pizzaschachtel zwischen vereinzelten Schneeglöckchen. Keine besonderen Spuren, die auf einen Kampf hingedeutet hätten, aber an der Mauer, einen knappen Meter über dem Kopf des Toten, waren Reste einer eingetrockneten Flüssigkeit auszumachen. Eventuell Blut. Vielleicht war er tatsächlich genau hier umgebracht worden? Aber konnten das seine Haare sein, die an der Mauer klebten, wenn er doch eine Sturmhaube trug?
    Axel dachte den Gedanken zu Ende: War er ein Autonomer, der sich während der Straßenkämpfe mit den Beamten geprügelt hatte? Und war ein Kollege Amok gelaufen? Auf derPolizeischule hatte man in den letzten Jahren viel dafür getan, die »mentale Hygiene« des Korps sicherzustellen, aber das änderte nichts daran, dass viele Polizisten die Demonstranten in Nørrebro und ihre oftmals lebensgefährlichen Aktionen hassten. Nur wenige konnten sich noch wie Axel an den 18. Mai 1993
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher