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Kommissar Steen 01 - Unruhe

Kommissar Steen 01 - Unruhe

Titel: Kommissar Steen 01 - Unruhe
Autoren: Jesper Stein
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Sturmhaube. Kampfstiefel. Dunkle Kleidung. Nass. Den Kopf auf einer Schulter, als sei der Mann eingeschlafen. Aber man schlief nicht mit den Händen hinterm Rücken ein. Schon gar nicht, wenn sie zusammengebunden und blau angelaufen waren.
    Er zog den weißen Schutzanzug an und streifte sich die Überzieher für die Schuhe und das Haarnetz über. Dann nahm er ein paar Gummihandschuhe aus dem Beutel in seiner Tasche, setzte einen nach dem anderen an den Mund und pustete hinein, sodass sich die Finger mit einem leisen Platzen im Morgennebel aufblähten. Der Geruch von Gummi und Talkum. Er zog die Handschuhe an. Schließlich setzte er den Atemschutz auf.
    Trotz der wenigen Stunden Schlaf wirkte ein neuer Fall wie eine Feder, die in ihm gespannt wurde. Die Angst, die sonst in jeder Faser seines Körpers steckte, war vergessen. So sehr er Panik vor seinem eigenen Tod hatte, so sehr freute er sich auf einen Mordfall. Ein Mord war für ihn wie eine Befreiung von sich selbst, ein Tor zu einem Teil seines Daseins, der sonst versperrt blieb, und in dem sich Gefühle verbargen, Begierde, Verlangen und Eifersucht, von denen niemand etwas wusste.
    Er spürte die Rastlosigkeit, die Unruhe, endlich anzufangen. Aber vorher musste er noch den Chef des Morddezernats loswerden, der rauchend und mit dem Rücken zum Tatort an eine alte Eiche gelehnt in sein Handy sprach. Corneliussen gab Axel ein Zeichen, er solle warten.
    »Ja, ja, wir haben das unter Kontrolle. Axel Steen ist da … Ja, natürlich. Ja, auch ihn. Er wird seine Ermittlungen mit versiegelten Lippen durchführen. Ha ha! Es wird keine Probleme geben«, sagte der Chef des Morddezernats.
    Seine Augen waren zwei schmale schwarze Schlitze, umgeben von Falten, und sie wurden nicht größer, als sich ihr Blick einen Moment später auf Axel heftete. Der kleine, kompakte Körper hatte sich in einen beigefarbenen Popelinmantel gezwängt, und der Kopf glich einer Bowlingkugel, die aus dem Kragen hervorlugte, mit einem Kranz lockiger Härchen. Fuck, wie hässlich er war. Sein Haupthaar hatte ihm den Spitznamen Möseniussen, Mösenkopf oder ganz einfach Möse eingebracht.
    Corneliussen hatte Axel von seinem Vorgänger geerbt, Henriksen, der Axels bewegte Karriere seit der Polizeischule verfolgt hatte, inzwischen aber Chef der Polizei Kopenhagen-West geworden war. Seitdem hielt niemand mehr seine schützendeHand über Axel, und das spürte der sehr deutlich. Seit Corneliussen das Morddezernat übernommen hatte, prasselte die Scheiße nur so auf ihn nieder. Als ehemaliger Personenschützer wusste Axel, dass es darauf ankam, sich im Hintergrund zu halten und keinerlei Aufhebens um sich selbst zu machen. Doch das gelang ihm inzwischen immer seltener.
    Er wusste, er meckerte zu viel und beschwerte sich zu oft, nahm Abzweigungen vom Dienstweg, die jeglicher Rechtsgrundlage entbehrten. Seine Personalakte war voll von Dienstaufsichtsbeschwerden – eingereicht sowohl von Kriminellen, die behaupteten, sie seien bedroht worden, als auch von Kollegen, die sich von ihm unter Druck gesetzt fühlten. Zweimal hatte ihn die Personalabteilung zum Gespräch vorgeladen, einmal wegen einer Handgreiflichkeit gegenüber einem Kollegen, das andere Mal hatte er einen Verweis wegen unangemessenen Verhaltens in Verbindung mit der Festnahme eines Mannes erhalten, der über eine Datingseite im Internet etliche Frauen dazu gebracht hatte, sich mit ihm zu treffen und ihm in seine Wohnung zu folgen. Dort hatte er die Frauen gefangen gehalten und vergewaltigt. Als Axel ihn festnahm, war der Kerl gestolpert und hatte sich den Kopf an der Kante des Esstischs aufgeschlagen, zweimal. Tja, das Schwein war nun mal etwas wacklig auf den Beinen gewesen.
    Axels Besessenheit, was Mordfälle anging, und seine Arbeitswut waren der Korkgürtel, der ihn über Wasser hielt, wenn Corneliussen wieder einmal versuchte, ihn in Papierkram und »strategischen Ausrichtungen« zu ertränken. Er sorgte für Resultate, und das tat dem Dezernat gut – eine Sache, die für den Karrieristen Corneliussen von ungeheurer Bedeutung war. Aber sie war eben nicht alles.
    Jetzt standen sie morgens um kurz vor vier in nächtlicher Dunkelheit auf dem Nørrebro-Friedhof, Wolken aus grauem Atem vor dem Mund. Corneliussens stank nach verfaultem Fleisch.
    »Da wurde endlich mal ordentlich aufgeräumt«, sagte Corneliussen zum Abschied und sah zufrieden hinüber zum Jugendzentrum. Er schob sein Handy in die Tasche und wandte sich an Axel:
    »Schöne Grüße
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