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Komm, trau dich

Komm, trau dich

Titel: Komm, trau dich
Autoren: Jo Leigh
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Farbe geben.
    Jetzt, eine halbe Stunde nach dem Interview, kreisten Trevors Gedanken immer noch um dieses Bild. Er war nicht nach Hause gegangen, sondern zog es vor, im Park einen Spaziergang zu machen.
    Fast die ganze Zeit über dachte er an Lee.
    Sie hatte so viele Jahre lang eine zentrale Rolle in seinem Leben gespielt, dass es ihm schwer fiel, sich an ein Leben vor ihr zu erinnern. Sie kannten die gleichen Menschen, aber sobald Lee über sie zu sprechen begann, wurden die Leute, die er sonst einfach nur zur Kenntnis nahm, dreidimensional. Lee zeigte ihm ihre Macken, ihre Fehler, ihre Vorzüge. Von da an wurde zum Beispiel der Junge, dem sie ständig im Flur begegneten, zu Phil, der sich sein Studium selbst verdienen musste und Sorgen wegen seiner kranken Mutter hatte.
    In all diesen Jahren war Lee diejenige gewesen, die seinem Leben Farbe gegeben und es interessant gemacht hatte. Sie verwirrte ihn oft, aber öfter noch brachte sie ihn zum Nachdenken. Durch ihren Einfluss, das erkannte er jetzt deutlich, war er zu einem guten Schriftsteller geworden, denn er schrieb nicht einfach nur über Wein, sondern über Menschen und ihre Eigenarten. Die ihm nur deswegen auffielen, weil Lee ihn dafür empfänglich gemacht hatte.
    Er erinnerte sich an Katys Worte, hatte plötzlich weiche Knie und musste sich auf eine Parkbank setzen. Lee wollte mehr. Er war nicht ganz sicher, was das heißen sollte. Wollte sie mit ihm zusammenleben, wollte sie heiraten? Das konnte er ihr nicht geben.
    Wusste sie denn nicht, dass das nicht sein eigener Entschluss war, sondern eine innere Notwendigkeit? Er brauchte sich nur seine Familie anzusehen, um zu begreifen, dass die Ehe nicht seine Sache war. Jedenfalls nicht, wenn er seine seelische Gesundheit behalten wollte.
    Doch dann kam ihm ein neuer Gedanke, und er hatte plötzlich Schwierigkeiten mit dem Atmen. Es war nicht sein familiärer Hintergrund, der ihm nicht erlaubte, sich mit Lee zu binden. Es war nicht nur die Sorge, dass er ihr das Herz brechen könnte. Es war vor allem die Todesangst davor, dass sie sein Herz brechen könnte. Er liebte sie nicht nur als Freundin, sondern als Seelenverwandte.
    Irgendwo tief in seinem Innersten wusste er das schon seit Jahren.
    Wenn sie heirateten, und er irgendetwas falsch machte ... Er schauderte. Das würde er nicht überleben. Da war es besser, ihre Freundschaft zu retten, solange es noch möglich war, und zuzugeben, dass ihr mutiges, nein, tollkühnes Experiment misslungen war. Das Beste war, wenn er sich allmählich zurückzog. Heute, zum Beispiel, würde er nicht zu ihr gehen. Sie fühlte sich sowieso nicht sehr wohl.
    Er würde ihr kaum fehlen.
    Aber sie würde ihm fehlen. Der Gedanke an sein leeres, kaltes Bett war ernüchternd. Wahrscheinlich würde er auf dem Sofa übernachten.
    Aber Lee würde denken, dass etwas nicht in Ordnung wäre, wenn er nicht wenigstens anrief.
    Er holte sein Handy hervor, steckte es dann aber wieder weg, stand kurz entschlossen auf und ging weiter.

14. KAPITEL
    „Das ist aber eine Überraschung. Komm rein."
    Trevor lächelte erleichtert. Er trat ein und ging direkt auf das Sofa zu.
    „Und wie komm ich zu dieser Ehre?"
    „Ich muss mit dir reden."
    „Aha, und worüber?"
    „Über Lee."
    Susan nickte. „Dann lass es uns gemütlich machen, okay?"
    Er nahm auf dem weißen Sofa Platz, und gleich darauf kam Susan mit einer Flasche Weißwein und zwei Gläsern aus der Küche zurück.
    „Möchtest du hiervon kosten?"
    „Nein, ich komme gerade von einer Geschmacksprobe. Aber Wasser wäre gut."
    Susan stellte die Weinflasche für sich auf den Tisch und holte Trevor sein Glas Wasser. Danach machte sie es sich ihm gegenüber in ihrem weißen Ledersessel bequem und zog die Beine unter. „Was ist los?"
    „Ich brauche einen Rat."
    „Und da bist du zu mir gekommen?" fragte Susan und war ehrlich überrascht.
    „Du kennst Lee und mich schon so lange. Du hast selbst schon einiges durchgemacht, und deswegen bist du genau die Richtige."
    Trevor suchte einen Moment nach Worten. „Katy zufolge ist Lee nicht glücklich. Offenbar will sie mehr, trotz unserer ursprünglichen Abmachung."
    „Mehr wovon?"
    „Ich bin nicht sicher. Aber ich glaube, sie will eine festere Bindung."
    Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. „Ich weiß nicht, was ich tun soll."
    „Sehr interessant, das ausgerechnet von dir zu hören, Trevor."
    „Ja." Besonders da er vor kaum dreißig Minuten beschlossen hatte, einen Rückzieher zu machen.
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